064 - Marotsch, der Vampir-Killer
sehr schlechte Weg führte ein wenig bergauf.
Links und rechts sah man dichten Busch und verwildertes Unterholz.
Dann breitete sich plötzlich eine ganz andere Landschaft vor ihnen
aus.
Die Bäume wichen zurück. Auf dem flachen Hügel folgten unbestellte
Äcker, verwilderte Wiesen, als hätte jemand seit Jahrzehnten hier nichts mehr
kultiviert. Und dies entsprach den Tatsachen.
Man mied diesen Ort. Dort oben war der Lebensbereich des
legendären Marotsch gewesen, der angeblich hier das Licht der Welt erblickt
hatte.
»Bleiben Sie jetzt stehen!« rief Nagy aus. Der Weg lief in einen
kleinen freien Platz aus. Hier lagen morsche Baumstämme und faules, vermodertes
Geäst.
Dicke Erdschollen türmten sich zur einen Seite hin auf, als hätte
hier irgendwann mal ein Mensch versucht, den holprigen Platz zu begradigen, um
vielleicht eine Hütte zu errichten. Der Platz befand sich am Ende eines
brachliegenden Ackers.
»Dort vorn ist es. Schräg vor uns. Auf der rechten Seite«,
erklärte Nagy. Er wirkte nervös.
»Wo? Ich seh’ nichts.« X-RAY-7 kniff die Augen zusammen und
schaltete das Fernlicht ein. Plötzlich sah er es!
Hinter wildwachsenden Büschen erhob sich in etwa zweihundert Metern
Entfernung auf der höchsten Erhebung eine Ruine. Ein altes Haus, wie es schien
aus Lehm. Die Fenster waren Löcher, in denen es keine Scheiben mehr gab. Die
Rahmen hingen zum Teil schief herab. Das Skelett des Dachgebälks war
angefressen von Wind und Wetter, und nur noch vereinzelt hingen ein paar Ziegel
darin.
Alt, verkommen und verlassen war dieses Haus.
Kunaritschew stellte den Motor ab und schaltete das Licht aus.
»Ich bin gleich wieder zurück«, sagte der PSA-Agent »loh seh’ es
mir nur schnell aus der Nähe an. Oder wollen Sie mitkommen?«
Nagy schüttelte den Kopf.
Kunaritschew schlug die Tür hinter sich zu.
Der Pfad war mit Steinen übersät, mit Moos und Unkraut
überwachsen.
Kunaritschew stieg kurzentschlossen über alles hinweg.
Er näherte sich dem geheimnisumwitterten Haus.
»Genosse Kunaritschew!« rief da Nagy. »Wollen Sie es nicht doch
lieber unterlassen?«
Der Ungar hatte das Fenster heruntergekurbelt und den Kopf aus der
Öffnung gestreckt.
X-RAY-7 schüttelte den Kopf. »Nein. Ich bin gleich wieder zurück.«
»Passen Sie auf!«
»Natürlich.«
Dann war X-RAY-7 nur noch eine Steinwurfweite von dem Haus
entfernt. Er prüfte sich, ob er vielleicht etwas Besonderes empfände.
Nichts! Es war alles so wie sonst. Keine Unruhe, nicht das Gefühl
einer aufkommenden Gefahr, nicht das Gefühl, daß etwas ihn belauerte oder
beobachtete.
Es war alles ganz normal.
Kalt lag das Licht auf dem Gerippe des Dachgebälks.
Kunaritschew stieg über dicke Erdbrocken hinweg.
Er blickte in das zerfallene Innere des alten Hauses. Kein Tisch,
kein Stuhl. Ein leerer, verwitterter Raum, in den durch die rissige Decke das
Regenwasser gedrungen war, das von keinem Dach mehr aufgehalten wurde.
Iwan ging auf die Tür zu.
Sie hing lose in dem Angeln.
Sie war morsch und modrig und roch nach verfaultem Holz. Schimmel
hatte sich darauf angesetzt. Das bleiche Mondlicht fiel schräg darauf.
Das Tor quietschte, als der Russe vorsichtig dagegendrückte. Sand
und Staub rieselten herab und fielen auf seine Fußspitzen.
X-RAY-7 mußte sich bücken, um mit dem Kopf nicht gegen den
Türpfosten zu stoßen.
Er drang ein in das geheimnisumwitterte, geisterhafte Haus.
Ein schmaler Korridor. Von hier aus mündeten leere Türen in zwei
große und einen kleineren Raum, von hier aus führte eine schwarze und
verwitterte Treppe nach oben.
Kunaritschew warf erst einen Blick in die leeren Räume. Hier gab
es nichts Besonderes.
Dann ging er zur Treppe vor und setzte vorsichtig einen Fuß auf
die unterste Stufe, um auszuprobieren, ob das Holz ihn noch trug.
Es knirschte und ächzte, aber die Diele brach nicht ein.
Schritt für Schritt ging er nach oben.
Das Geländer war baufällig, und so verzichtete er lieber darauf,
sich daran abzustützen.
Plötzlich krachte es.
Für einen Moment war er nachlässig gewesen.
Die Stufe, auf die er trat, brach ein. Das morsche Holz
splitterte. Der Krach hallte durch das einsame, leerstehende, nächtliche Haus.
Kunaritschew fing sich geistesgegenwärtig ab und stürzte nicht mal
zu Boden. Leise vor sich hinfluchend, zog er seinen Fuß aus dem Treppenkasten
und stieg auf die nächste Stufe. Die trug ihn wieder.
So kam er nach oben. Immer führte er dabei den Strahl der
Taschenlampe vor sich
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