064 - Marotsch, der Vampir-Killer
Tür?
Er riß die Augen weit auf.
Das Dach! Was war mit dem Dach los?
Unter dem bleichen Licht des Mondes sah er deutlich die
lehmfarbenen Ziegel.
Das Dach war vollständig erhalten! Das Haus stand so vor ihm, als
wäre es erst kürzlich erbaut worden…
Nagy hielt den Atem an, sein Herzschlag stockte.
Und er zog die Konsequenzen aus dem unheimlichen, gespenstischen
Geschehen.
Er riß seine Beine herum, wechselte seinen Platz, nahm den Sitz
hinter dem Steuer des VW ein und drehte den Schlüssel herum.
Auf Anhieb sprang der Motor an.
Emerich Nagy löste die Handbremse, legte den Rückwärtsgang ein und
gab Gas.
Der Wagen machte einen Satz nach hinten. Sand und Erdbrocken
flogen durch die Luft, auf dem Boden liegende Zweige brachen.
Jetzt kam es nur noch darauf an, die eigene Haut zu retten, um
nicht auch noch in den Sog der gespenstischen Entwicklung gezogen zu werden.
Er drehte auf dem kleinen freien Platz und jagte dann in
halsbrecherischem Tempo den schmalen Pfad nach unten, als säße ihm der Teufel
im Nacken.
●
Dr. Rolf Kersky bewirtete seinen Gast Larry Brent, als hätte er
seit Wochen niemand mehr empfangen, mit dem er seine Probleme besprechen
konnte.
X-RAY-3 saß im Herrenzimmer, während Kersky draußen hantierte.
Nach einer Weile kam er zurück und trug einen Hausmantel.
Bei einem Drink meinte der österreichische Arzt: »Sie wundern sich
sicher, daß ich Sie so lange hab’ sitzen lassen. Mister Brent?«
»Es war nicht sehr lange.«
»loh hab’ mich erst im ganzen Haus umgeschaut. Es ist alles
unverändert. Er war nicht da.«
»Wer, Doktor Kersky?«
»Der Vampir, der auch Viola holen will.«
Er griff nach seinem Glas und legte eine Pause ein. Kersky saß mit
dem Rücken zu der prallgefüllten Bücherwand, die bis zur Decke reichte. Darin
steckten zahlreiche wissenschaftliche Werke, Lexika und medizinische
Abhandlungen, die in Griffhöhe bereit standen. Larry entdeckte auch besonders
viele Titel, die irgend etwas mit Blut zu tun hatten und wobei oft der lateinische
Begriff Hämo vorkam. Als Spezialist für Blutkrankheiten war seine Sammlung von
Werken dieser Art bemerkenswert.
»Seit drei Wochen geht das so. Als die ersten Fälle von
Vampirmorden auftraten, glaubte jeder, der damit konfrontiert wurde, an einen
Spuk. Niemand nahm die Nachrichten ernst, wonach angeblich Beigesetzte wieder
in der Öffentlichkeit auftauchten, um auch im Freundes– und Bekanntenkreis Blut
zu saugen, aber dann merkte man sehr schnell, daß es doch etwas auf sich hatte.
Nachts wurden die Vampire lebendig. Sie waren Untote. In Hofstetters Klinik
hatten wir mit einem Mal ständig mit diesen Fällen zu tun. Wir konnten nichts
tun. Anfangs stellten wir die hochgradige Ausblutung des Körpers fest, und
damit waren die Leichen freigegeben zur Beisetzung. Aber ich wollte dem
Schicksal entgegenarbeiten. Schon früh wurde mir klar, daß hier etwas vorging,
was eigentlich nicht in unsere Zeit paßt, daß es aber dennoch vorhanden ist.
Man hätte mich verbrecherischer Experimente beschuldigt, das konnte ich mir
nicht erlauben. Deshalb unterließ ich es.«
»Was unterließen Sie?« Larry merkte, daß Kersky etwas auf dem
Herzen hatte, worüber er mit einem anderen sprechen wollte. Aber es mußte etwas
sein, worüber er nicht mit jedermann sprechen konnte.
Kerskv wich der direkten Beantwortung dieser Frage aus. »Meine
große Stunde kam, als Viola das gleiche Schicksal erlitt. Doch ich kam zufällig
hinzu. Ich sah, wie sich ein Schatten aus dem Zimmer löste, in dem sie sich
aufhielt. Das Fenster hatte weit offen gestanden, loh wußte nicht, wer oder was
in unser Haus gedrungen war. Ich hatte auch nicht die Zeit, die Verfolgung
aufzunehmen. Es ging um das Leben meiner Frau. Entsetzen packte mich, als ich
feststellen mußte, daß auch sie die furchtbaren Male am Hals trug, die ich in
der letzten Tagen bei so vielen anderen Menschen entdeckt hatte. Viola war das
Opfer eines Vampirs geworden! Sie hatte jedoch nicht alles Blut verloren. Der
Eindringling war durch mein Auftauchen gestört worden. Ich hatte mich in meinem
Studierzimmer aufgehalten und in einem wissenschaftlichen Werk gelesen. Ich
kann es ruhig gestehen: es handelte sich um das Buch eines Franziskanermönchs,
der dem Aberglauben von den Vampiren nachging, der skeptisch und der
wissenschaftlich gebildet war. Die Vampirmorde hatten mich aufs äußerste
erregt, und ich versuchte soviel wie möglich zu erkennen um wirkungsvoll
handeln zu können. Nun
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