0640 - Das Blut-Rätsel
wofür ich im ersten Moment keine Erklärung wusste, denn der Spalt füllte sich aus. Etwas quoll hinein, was ich nicht genau erkennen konnte.
Es war dunkel, bekam Nachschub, fiel als Tropfen nach unten und klatschte vor meinen Füßen auf den Liftboden.
Blut…
Ich spürte den Kloß im Hals, schaute hin, blickte wieder nach oben - und glaubte, irre zu werden.
Mit einem Ruck war die Klappe senkrecht gestellt worden. Ich hatte einen freien Blick, rechnete mit einem wahren Blutschwall, der jedoch ausblieb.
Stattdessen war blitzartig eine widerliche dunkelrote Dämonenfratze erschienen. Eine Mischung aus übergroßem Fledermausschädel mit weißen Augen, Hörnern auf der Stirn und einem, im Vergleich zur Größe des Kopfes, scheunentorartigen Maul, in dem Reißzähne blinkten.
Ein unheimliches Fauchen klang mir entgegen, mehr ein Schrei, dann zuckte der Schädel zurück und war verschwunden, bevor ich mein Kreuz hatte hervorziehen können.
Nur das Blut blieb auf dem Boden. Es bewies mir, dass ich mich nicht geirrt hatte.
Ich handelte trotzdem, wollte die Klappe von unten her öffnen, als sich die Kabine mit einem Ruck wieder in Bewegung setzte und ihre Fahrt in die Tiefe fortsetzte.
Bevor ich das Geschehen verdaut hatte, erreichte ich bereits das Erdgeschoss, wo der Lift stoppte und sich die Türen öffneten, als wäre nichts geschehen.
Zwei Hausbewohner - Frauen in sommerlicher Kleidung - schauten mich an. Sie lächelten, blickten nach unten, sahen das Blut und auch meine Bewegung, als ich die Tasche anhob.
Eine Person fing an zu kreischen, sodass es wie der Klang einer Sirene durch die Halle wimmerte.
»Das ist Blut, das ist Blut! Sind Sie wahnsinnig?«
»Ich nicht, Madam. Nehmen Sie einen anderen Lift.«
Sie starrte mich entgeistert an. »Mehr haben Sie nicht zu sagen, Mister?«
»Nein.«
Sie wichen vor mir zurück, als ich die Kabine verließ. Um das Blut wollte ich mich später kümmern, wichtiger war der Besuch beim Hausmeister, wobei ich hoffte, dass er noch nicht verschwunden war. Ich dachte auch an die hässliche Dämonenfratze aus dem Aufzug, die die Farbe von gestocktem Blut gehabt hatte. Einordnen konnte ich sie nicht. Da würde mir Cynthia Manson sicherlich Auskunft geben können.
Den Hausmeister fand ich in seiner Kabine. Er war allein, ohne Besucher. Die Person hatte sich zurückgezogen.
Als ich die Tür aufriss, schaute er mich starr an. Er stand noch immer unter Schock.
Ich stellte die Tasche ab. »Wo ist die Frau?«
Der Hausmeister hob die Schultern. »Weg!«, erwiderte er tonlos und leichenblass. »Sie ist verschwunden, einfach so. Können Sie das begreifen?«
»Nein. Wissen Sie wohin und wann es geschehen ist?«
»Sie ging.«
»Verletzt sind Sie nicht - oder?«
»Nein, sie hat das Messer ja nicht eingesetzt und mich nur damit bedroht. Aber das ist schlimm gewesen, Sir. Verdammt schlimm. An der Klinge klebte das Blut, es war an manchen Stellen sogar verkrustet. Stellen Sie sich das vor!«
»Okay. Haben Sie wirklich nicht gesehen, in welch eine Richtung sie verschwand?«
»Nein, Mr. Sinclair.« Er stand auf. Ich sah, dass er am ganzen Leibe zitterte. »Das ist einfach furchtbar gewesen. Ich dachte schon, mein letztes Stündlein wäre gekommen.«
Ich lächelte ihm zu. »So leicht stirbt man nicht, mein Lieber. Aber Sie sollten…«
»Hören Sie, hören Sie!« Die beiden Frauen rannten auf uns zu. »Das ist eine Schweinerei. Der Lift ist voller Blut. Da - da steigen wir nicht ein!«
»Übertreiben Sie nicht«, sagte ich. »Es sind nur einige Tropfen, mehr nicht.«
Die Frau zeigte auf sich, danach auf ihre Begleiterin. »Wir gehen da nicht hinein. Das sehen wir überhaupt nicht ein. So viel Blut.«
»Stimmt das, Sir?«
»Ja.«
»Und wieso?«
»Ich will Ihnen keine Erklärung geben. Sie können es aufwischen. Ich gehe dann mit Ihnen.«
»Das wäre gut. Moment.« Er verschwand und kehrte bald darauf mit Eimer und Wischlappen zurück. Das Wasser in dem Gefäß schimmerte gelblich, weil der Hausmeister noch ein Reinigungsmittel hinzugegeben hatte, das die Flecken entfernen sollte.
Die Frauen blieben in sicherer Entfernung stehen. Anstatt in ihren Wohnungen zu verschwinden, konnten sie ihre Neugierde nicht bezähmen. Der Hausmeister war froh, in mir Unterstützung zu haben, schaute dann verwundert, als ich den Notausstieg öffnete.
»Was wollen Sie denn jetzt?«
»Nur nachschauen.«
Es gab nichts zu entdecken. Mein Blick glitt hoch in den Aufzugsschacht, ohne eine Spur
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