0640 - Das Blut-Rätsel
verloren.
Welches Geheimnis verband diesen Totenschädel mit der weiblichen Leiche? Wenn ich das herausfand, war der Fall gelöst. So weit allerdings war es noch nicht.
Ich verließ den schmalen Raum und durchquerte den großen Keller. Mit meiner kostbaren Beute schritt ich langsam die breiten Stufen der Treppe hoch.
Mein Gefühl hatte sich wiederum verändert. Die Spannung war gestiegen, der Schädel musste damit zu tun haben und natürlich die Tote in der Halle.
Plötzlich war ich gespannt auf sie, obwohl sie mir keine Antwort mehr geben würde.
Ich kam aus der Küche und auch aus einem ungünstigen Winkel, ging weiter. Mein Blick öffnete sich - und…
Ich blieb stehen, meine Knie zitterten, der Herzschlag beschleunigte sich, beinahe hätte ich noch den Schädel aus meinen Händen fallen lassen.
Die Überraschung war einfach zu groß und hatte mich wie ein Blitz getroffen.
Die Tote war verschwunden!
***
Einfach weg, wie fortgeblasen, nicht mehr zu sehen, in Luft aufgelöst oder weggeholt worden.
An die letzte Möglichkeit glaubte ich eher. Ich schaute automatisch zur Tür, weil ich nach Spuren auf dem Fußboden suchte. Aber ich konnte keine entdecken.
Nichts war vorhanden. Der Boden lag blank vor mir, als hätte ihn jemand geputzt.
Mit kleineren Schritten ging ich auf den hochlehnigen Stuhl zu, auf dem die Leiche gesessen hatte.
Ich schaute gegen die Rückenlehne und erkannte den Blutfleck im Stoff, der etwa ein Drittel in der Form eines Rechtecks die Lehne bedeckte.
Cynthia Manson hatte den Schädel auf ihr Grab haben wollen. Nur musste ich das Grab erst einmal finden. Wer immer die Leiche fortgeschafft haben mochte, er gab mir keine Garantie dafür, dass er sie auch begraben würde.
Was tun?
Ich trat bis dicht an den Tisch und stellte den Schädel dort ab. Auf meinem Rücken wollte die Kälte einfach nicht weichen, weil ich auch daran dachte, dass sich die Personen möglicherweise noch innerhalb des Hauses aufhielten.
Ja, die verdammten Leichenräuber konnten sich noch versteckt halten. Vielleicht verbargen sie sich in den oberen Stockwerken, zu denen eine breite Treppe hochführte. Andererseits würden diejenigen, die eine Leiche abholten, so schnell wie möglich verschwinden, wenn ihre makabre Arbeit getan war.
Es war nichts sicher, deshalb wollte ich mir die Zeit nehmen, um auch oben nachzuschauen.
Die Treppe hatte ich schnell hinter mich gebracht. Der Gang schien endlos zu sein. Durch schmale Fenster drang nur wenig Licht. Es verteilte sich als schwachgrauer Schein.
Der Fußboden gab mein Spiegelbild fast wieder, so blank war er gebohnert worden.
Ich schaute in den Räumen nach, fand sie voll eingerichtet, aber menschenleer.
Dann fiel mir ein, dass ich den Schädel unten in der Halle zurückgelassen hatte. Wenn sich dort jemand verborgen hielt, war es leicht für ihn, den Schädel zu nehmen und damit zu verschwinden.
Der Gedanke daran trieb mich zur Eile.
Ich lief sehr schnell wieder hinab. Meine Sorge war unbegründet gewesen. Der Totenkopf stand nach wie vor auf dem Tisch. Was konnte ich noch tun? Eigentlich nichts. Mich vielleicht um das alte Haus und dessen Besitzer kümmern.
Da allerdings standen mir beim Yard wesentlich bessere Möglichkeiten zur Verfügung.
Im Haus hielt mich nichts mehr.
Ich verließ es und nahm den Geruch der Bäume auf. Es roch nach Spätfrühling oder Vorsommer.
Am Himmel waren nur wenige Wolken zu sehen.
Trotz allem wurde ich das Frösteln auf meinem Rücken nicht los. Der geheimnisvolle Tod der Cynthia Manson war erst der Anfang gewesen. Davon musste ich ausgehen…
***
Suko saß mit hochgekrempelten Hemdsärmeln im Büro, schaute mich an, und ich las in seinen Augen die Frage.
Schwer ließ ich mich auf einen Stuhl fallen, trank einen Schluck Wasser aus der Dose und schüttelte dabei den Kopf.
»Nichts?«
Ich wischte Wasser von den Lippen fort und nickte. »Genau, mein Freund, nichts.«
»Das gibt es doch nicht! War sie nicht da?«
Ich holte den Totenschädel hervor, den ich in eine Tasche gesteckt hatte, stellte ihn mitten auf den Tisch und schaute Suko über die Platte hinweg an.
Er enthielt sich eines Kommentars, betrachtete den Schädel von verschiedenen Seiten und fragte dann: »War sie das?«
»Nein.«
»Verdammt, was ist denn? Lass dir doch nicht jeden Buchstaben aus der Nase ziehen!« Er ärgerte sich.
»Sie ist tot, und der Schädel gehört ihr nicht.«
Suko lehnte sich zurück. »Das verstehe, wer will. Ich jedenfalls habe
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