0640 - Hexentränen
Hilfe.. Für heute ist es genug.«
Die beiden Elfen lächelten ihm zu, verneigten sich leicht und schritten davon, nachdem der Samtwamsträger sein Schwert wieder aus dem Boden gezogen hatte. Er hieb dem anderen die Hand auf die Schulter, und miteinander plaudernd und aufeinander einredend, verschwanden sie in der Tiefe des Zauberwalds.
»Ein Königreich? Pah!« machte Artos. »Was soll ich mit einem Königreich? Auf einem Thron sitzen, fett werden, Steuern eintreiben lassen, das Volk ausbeuten, die Männer in unsinnige Kriege treiben? Mich von intrigierenden Ministern heimtückisch vergiften lassen? Meine schöne Tochter von einem blutrünstigen Drachen fressen lassen, weil es keinen beherzten Ritter im Königreich gibt, der den Drachen erschlägt? Nein, Myrddhin, das ist doch nichts für mich. Ich strebe nach viel Höherem.«
Merlin runzelte die Stirn. »Nach noch Höherem?«
»Sicher. Auf einen großen Baum klettern, und wenn der König mit seinem Gefolge unter mir auf der Straße vorüberzieht, spucke ich ihm auf den Kopf, und er denkt, es wär' ein Vogel gewesen, der ihn bekleckerte.« Er lachte.
Merlin erlaubte sich immerhin ein leichtes Schmunzeln.
»Du hast schon sehr bestimmte Vorstellungen von dem, was auf einen König zukommt«, sagte er. »Bist du wirklich sicher, daß du kein König werden möchtest?«
»Aber Myrddhin!« Artos schüttelte sich. »Selbst wenn ich es werden wollte, wär's doch nur ein Wunschtraum. Vielleicht werde ich der Knappe eines Ritters, mehr aber sicher nicht. Und wenn ich daran denke, wie's meinem Vater erging… nein, ich denke, das ist nicht das, was ich will.«
Er war sehr ernst geworden.
Merlin faßte ihn am Arm.
»Du stinkst hundert Doppelschritte gegen den Wind nach Schweiß«, sagte er. »Ab mit dir ins Wasser, nimm ein Bad. Danach reden wir weiter.«
»Worüber? Lehrst du mich mehr von deiner Magie?«
»Die fasziniert dich wohl am meisten?«
»Ich will lernen, den Zauber zu verstehen«, sagte Artos. »So viele Menschen haben Angst davor. Wenn ich weiß, wie das Zaubern funktioniert, werde ich auch wissen, warum sie sich fürchten.«
»Worte eines Königs, der Verantwortung für sein Volk trägt«, murmelte Merlin und versetzte Artos einen leichten Stoß. »Nun geh schon. Und streite dich im Bach nicht mit den Fischen herum. Denke daran: das ist ihr Bach, also haben sie mit allem recht.«
Der Knabe lief zum Bach hinüber, warf das Tuch ab, das er sich um die Lenden geschlungen und geknotet hatte, und sprang ins Wasser.
Aus einiger Entfernung sah Merlin ihm zu.
Artos war für sein Alter sehr reif. Lag es daran, daß er praktisch kaum Umgang mit anderen Kindern seines Alters gehabt hatte? Daß er fast ständig nur mit Merlin zu tun bekam, der ihn alles lehrte, was Artos wissen mußte?
Der Junge war dafür bestimmt, König zu werden. König von Britannien. Dieses aufgespaltene Land endlich unter eine Hand vereinen, es stark machen. So stark wie ein Bär.
Merlin hatte schon Vorbereitungen getroffen.
Nichts im bisherigen Leben des Jungen war dem Zufall überlassen gewesen. Merlin wollte keinen Fehler begehen. Schon einmal hatte er versucht, eine Gruppe von Wissenden und Weisen um einen Anführer zu scharen. Es war ein Fehlschlag gewesen. Einer hatte den Anführer verraten, und man hatte ihn gefangengenommen und hingerichtet.
Es lag Jahrhunderte zurück.
Merlin hatte daraus gelernt.
Er wußte jetzt, daß Worte allein nicht reichten, den Dunkelmächten entgegenzutreten. Gutes tun, mit Weißer Magie das bewirken, das andere Menschen Wunder nannten… es reichte nicht. Es mußte auch gekämpft werden. Der Menschenfischer hatte es zumindest noch versucht, aber es war längst zu spät gewesen.
Auch ihn hatten sie später hingerichtet, böser noch als seinen längst toten Anführer.
Jetzt war es eine neue Zeit, eine dunklere Zeit als damals, und entsprechend stärker mußte die Tafelrunde werden. Gewalt mußte mit Gewalt bekämpft werden, aber Magie auch mit Magie. Die dunkle Seite der Macht war stark geworden in diesen Jahrhunderten, die vergangen waren.
Artos sollte der neue Anführer werden.
Er benötigte Helfer. Und Hilfsmittel.
Caliburn, das Schwert der Macht, wartete bereits auf ihn. Wenn er es fand und in die Hand nahm, würde das ein Signal sein, das alle anderen mitriß. Es würde ein Akt der Stärke sein, der Hoffnung. Lange hatte Merlin diese Legende vorbereitet.
Wer dieses Schwert aus Stein und Amboß zieht, wird König sein von Britannien,
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