0640 - Hexentränen
Bill Fleming, ältester Freund Zamorras und von Merlin für die Tafelrunde auserkoren, war dem Bösen verfallen. Er konnte zwar gerettet und geläutert werden, starb aber dabei.
Und jetzt war vieles wieder ganz anders geworden.
Es war die unruhigste aller Epochen, aber auch eine der überraschendsten. Nichts hatte wirklichen Bestand. Alles war fließend.
Merlin versuchte sich aus dem Eindruck des letzten Erinnerungsbildes zu lösen. Es wirkte so nachhaltig in ihm wie keines der anderen zuvor. Bilder, Erinnerungen, die aus den verschiedensten Epochen der Vergangenheit und auch der Zukunft kamen.
Sie alle hatten mit dem Zauberwald zu tun.
Aber er glaubte nicht, daß das die einzige Verbindung war.
Mehr steckte dahinter.
Vielleicht, wenn er es herausfand, konnte er siegen.
Oder… alles verlieren…
***
Kaum hatte der Ofen die Wasseroberfläche berührt, als etwas Eigenartiges geschah: er flog mit wildem Schwung wieder zurück und auf die beiden Männer zu. Gerade so, als habe ihn jemand mit der gleichen Kraft, die Gryf und Ted aufgewendet hatten, um ihn in den Bach zu befördern, wieder zurückgeworfen!
Das fließende Wasser hatte das Feuer nicht einmal erreichen können!
»Deckung!« schrie Teri auf. Unwillkürlich versuchte sie, den rasenden Flug des Ofens mit Druiden-Magie zu stoppen. Aber sie war dafür nicht schnell genug. Der einzige, der rasch genug reagierte, war Ted; er sprang Gryf an und riß ihn mit sich zur Seite. Die beiden Männer stürzten zu Boden. Der Ofen flog haarscharf über sie hinweg.
Polternd und scheppernd landete er vor einem Baumstamm. Mit erstaunlichem Tempo richtete er sich selbst wieder auf. Ein paar Sekunden lang balancierte er sich auf seinen Hühnerbeinen aus, schwankte ein wenig hin und her, und stakste dann eilig davon, um auf dem schmalen Pfad im Wald zu verschwinden. Das lange Ofenrohr war abgeknickt und bot einen recht traurigen Anblick. Teri Rheken, die ihm verblüfft hintendrein sah, hätte beinahe gewettet, daß er leise protestierend vor sich hin zeterte. Was natürlich völlig unmöglich war; selbst Hexenöfen können nicht sprechen.
Gryf stöhnte auf. »Du bist ganz schön schwer, Alter«, knurrte er. »Wirst du wohl sofort wieder von mir runter gehen?«
Ted grinste ihn an. »Wenn ich ein hübsches Mädchen wäre, würdest du das bestimmt nicht sagen.«
»Wenn du ein hübsches Mädchen wärst, hätte ich dir jetzt längst die Klamotten vom Leib gepflückt«, erklärte Gryf. »Aber leider bist du nur ein Mann. Also runter jetzt, ehe ich böse werde.«
Ted erhob sich und reichte dem Druiden die Hand, um ihm mit einem kräftigen Ruck auf die Beine zu helfen. »Was heißt hier eigentlich: leider nur ein Mann? Ich bin ganz froh darüber, daß ich ein Mann bin - und das ›nur‹ wirst du mir etwas eingehender erläutern müssen, ja?«
»Im Ernst? Du willst das wirklich wissen?«
Ted nickte.
»Nun, es ist so, daß ich eigentlich die Gesellschaft hübscher Mädchen der von, ähem, Männern vorziehe…«
»Glaub ihm kein Wort«, mischte Teri sich ein. »Einem attraktiven Jüngling geht Gryf auch nicht gerade kilometerweit aus dem Weg.«
Gryf räusperte sich.
»Ach, so ist das«, sagte Ted stirnrunzelnd. »Ich bin dir nicht attraktiv genug? Du bist mir wahrlich ein schöner Freund!« Er grinste breit und versetzte dem Druiden einen leichten Stoß, so daß Gryf rückwärts strauchelte und über die Uferkante im Bach landete.
Prustend kam er wieder ans schmale Ufer und schüttelte sich wie ein nasser Hund. »He«, protestierte er. »Wir wollten doch diesen blöden Ofen ins Wasser werfen! Von mir war nicht die Rede!«
Teri lachte: »Jetzt kannst du dir selbst die Klamotten vom Leib pflücken und zum Trocknen an die Bäume hängen…«
»Das könnte dir so passen«, brummte Gryf. »So was macht unsereiner mit Magie.«
Einen kurzen Moment lang schienen seine schockgrünen Augen grell aufzuleuchten. Dann war es schon wieder vorbei und Gryfs Kleidung so trocken wie zuvor.
Er grinste Ted an. »Warum hast du nicht schon früher angedeutet, daß du vernascht werden willst?«
»Doch nicht von dir, Mann«, ächzte Ted und sah hilfesuchend zu Teri. »Der nimmt das doch wohl nicht etwa ernst?«
»Todernst«, murmelte sie mit Grabesstimme. »Ganz sicher.«
»Nachdem wir diese existentiellen Probleme ausdiskutiert haben, könnten wir uns vielleicht auch mal wieder um den Ofen kümmern«, schlug Gryf vor. »Warum hast du nicht versucht, ihn festzuhalten oder wieder
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