0640 - Hexentränen
durch den Wald.
Aber wenn doch, weiß ich zumindest nichts davon, dachte er sarkastisch.
Er versuchte, seine Erinnerungen einer genauen Analyse zu unterziehen.
Nein, es konnte nicht das Töten sein. Zumindest nicht allein. Es mußte noch einen anderen Zusammenhang geben, einen anderen Grund, daß ihm diese Erinnerungen plötzlich so unwiderstehlich aufgezwungen wurden.
Der Wald selbst…?
War der Wald das Bindeglied zu allem?
Merlin ahnte zu diesem Zeitpunkt nicht, daß er nicht der einzige war, der von Erinnerungsbildern heimgesucht wurde. Daß es andere ebenso traf. Sonst hätte er möglicherweise schneller begriffen, was geschah.
Und er hätte vielleicht noch etwas verhindern können.
Aber so verstrich die Zeit, bis es zu spät war.
***
Ted begriff als erster, daß die Lage tödlich ernst war. Baba Yaga griff an, und sie wollte töten. Es ging ihr nicht nur darum, ihre Gegner außer Gefecht zu setzen. Blanker Haß sprang ihnen entgegen, und die Luft rund um die Hexe schien zu brennen.
Sie hatten Yaga überraschen wollen, und genau umgekehrt war es gekommen. Sie waren es, die auf die Konfrontation noch nicht vorbereitet waren.
Deshalb hatten sie gegen die Hexe keine Chance.
Gryf und Teri versuchten verzweifelt, ein Netz aus Abwehrmagie zu weben. Doch die Kraft der Hexe zerfetzte es immer wieder, sobald auch nur ein Teil davon stabil wurde. Ted selbst war in diesem Moment absolut hilflos; er konnte nur hoffen, daß die Druiden es schafften, ihn einigermaßen zu schützen.
Ja, wenn es ihnen gelungen wäre, sich rechtzeitig zusammenzuschließen…
Sie hätten damit ihr Para-Potential vergrößern können. Die beiden Druiden waren an sich schon stark, was ihre Magie anging, aber wenn sie ihre Bewußtseine miteinander verschmelzen ließen, verdoppelte die Kraft sich nicht nur, sondern wurde potenziert. In diesem Fall hätte auch Ted eine Möglichkeit gehabt, sich mit ihnen zu verbinden. Er besaß zwar keine speziellen magischen Fähigkeiten, wenn man einmal sein Gespür außer acht ließ, jene ›Witterung‹, die ihm in seiner Reporterlaufbahn stets geholfen hatte, wichtige Dinge zu erkennen und ihnen nachzugehen, obgleich andere ihnen überhaupt keine Beachtung schenkten. Aber Ted besaß ein enormes Para-Potential, das sogar die Kraft der Druiden, effektiv gesehen, überstieg.
Keiner von ihnen konnte einen Dhyarra-Kristall 13. Ordnung benutzen.
Für Ted hingegen war es normal. Was den Druiden den Verstand verbrannt hätte, sie vielleicht tötete, damit konnte er geradezu spielend umgehen.
Nur nützte ihm das hier überhaupt nichts - der Kristall befand sich in Rom, und laut Merlin dürfte er ihn hier nicht einmal einsetzen.
Aber sein Para-Potential…
Und in diesem Moment begriff er, weshalb Merlin ausgerechnet ihn ausgesucht hatte. Ihn mit seinem starken Potential, das es ihm sogar einmal ermöglicht hatte, der ERHABENE der DYNASTIE DER EWIGEN zu sein!
Er hatte in der mentalen Verbindung die Kräfte der beiden Silbermond-Druiden verstärken sollen!
Es wäre nicht das erste Mal gewesen. Schon früher hatten sie zu dritt Dinge bewerkstelligt, die ansonsten völlig undenkbar gewesen wären. Wenn sie sich mental zusammenschlossen, wenn sie ihre Bewußtseine miteinander verschmelzen ließen, um drei Körper mit einem Geist zu werden, waren sie nahezu unbesiegbar.
Es funktionierte vor allem, weil sie zu dritt perfekt miteinander harmonierten. Sie kannten und vertrauten einander. Es machte ihnen nichts aus, bei der Verschmelzung selbst die intimsten Dinge dem anderen zu offenbaren. Die letzten Geheimnisse, weit zurückgedrängt ins Unterbewußtsein, streng gehütet.
Merlin hatte die richtige Wahl getroffen, als er nach Helfern suchte.
Theoretisch hätten sie Baba Yaga übertrumpfen müssen.
Zumindest sah Ted es so.
Aber der Beweis konnte in der Praxis nicht mehr geführt werden.
Sie hätten Zeit gebraucht für die Verschmelzung. Wenigstens ein paar Sekunden.
Doch diese Zeit ließ Yaga ihnen nicht mehr. Keiner von ihnen fand die Ruhe für die nötige Konzentration. Yagas blitzschneller Angriff lenkte sie alle ab. Es funktionierte nicht einmal, daß einer der Druiden vielleicht die Abwehr allein übernommen hätte, um den beiden anderen für einen kurzen Moment die Möglichkeit zu geben, ineinander überzugehen.
Und so konnten sie nur jeder für sich gegen die Hexe kämpfen. Voneinander isoliert. Und dabei war Ted nun das fünfte Rad am Wagen - er war schlicht nutzlos.
Oder vielleicht doch
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