0642 - Voodoo-Man
Taten sie nichts, gerieten sie immer stärker unter die Kontrolle des Voodoo-Zauberers. Handelten sie, riskierten sie den Tod von allen.
»Und so geht es jetzt seit über einem Jahr«, beendete William seine Geschichte.
Nicole sah zu Zamorra herüber. »Das war wohl gerade das Ende unseres Urlaubs.«
»Wäre ja auch zu schön gewesen«, murmelte ihr Kampfgefährte.
Er stand auf und reichte William die Hand. »Danke, daß du uns das alles erzählt hast.«
Der Page ergriff seine Hand. »Ich hoffe nur, ich hab' das Richtige getan.«
»Was wirst du jetzt machen?« wollte Nicole wissen.
William zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Eben wollte ich noch weg von hier, nach Barbados oder Jamaica. Inzwischen glaube ich aber, ich bleib' noch ein bißchen hier und warte ab. Und he, Schwester, wieso sollte ich auch gehen? Ich hab' meinen Job verloren, hab' alles über einen irren Voodoo-Priester ausgeplaudert, der mich jetzt vermutlich umbringen will. Was soll's? Schlimmer kann's ja nicht mehr kommen.«
Womit er nicht ganz unrecht hatte.
***
Sie waren überall! Eiskalte Leichenfunde griffen nach Marie. In Panik schlug sie um sich, versuchte, sich an der Flut der Zombies vorbeizuschieben, aber sie drängten sie immer weiter zurück. Die Fackel, mit der sie sich verteidigt hatte, war längst erloschen. Jetzt gab es nichts mehr, was die Untoten aufhalten konnte. In ihrer Gier, als erste ihre Zähne in menschliches Fleisch zu schlagen, behinderten sie sich gegenseitig, stolperten übereinander und knurrten sich an. Doch schließlich schob sich einer aus der Masse hervor.
Marie schrie, als seine Hände sie berührten und sich an ihrer Bluse festkrallten. Dann wurde sie von hinten gestoßen, verlor das Gleichgewicht und stürzte in die Menge der Untoten. Sie sah stumpfsinnige, tote Gesichter, die sich über sie beugten und…
... wachte mit einem Schrei auf.
Marie fuhr aus dem Bett hoch. Sie zitterte am ganzen Körper. Die dünnen Laken waren durchgeschwitzt. Ein Blick auf den kleinen Wecker neben ihrem Bett sagte ihr, daß sie gerade mal eine Kalbe Stunde geschlafen hatte. Marie fuhr sich mit den Händen durch die Haare und versuchte ruhig durchzuatmen und die Traumbilder zu verdrängen. Doch immer wieder trieben die Bilder der Zombies in ihr Bewußtsein.
O Gott, dachte sie verzweifelt. Bitte laß es keinen Wahrtraum gewesen sein. Wir dürfen nicht scheitern!
Ihre Großmutter hatte an Wahrträume geglaubt und hatte Marie und ihren Bruder William jeden Morgen nach ihren Träumen gefragt und sie zu deuten versucht. Sie hatte immer behauptet, Wahrträume erkenne man daran, daß sie lebendiger und klarer als andere seien.
Auf dieser Skala war Maries Traum lebendiger und klarer als all die, die sie je gehabt hatte. Aber, versuchte sie sich zu beruhigen, sie hatte auch noch nie unter einem solchen Streß gestanden. Es war eigentlich klar, daß ihr Unterbewußtsein darauf mit Alpträumen reagierte.
Marie stand leise auf und ging zu Vincents Bettchen hinüber. Der Junge lag friedlich schlafend auf dem Bauch. Offenbar hatte er ihren Schrei nicht mitbekommen. Sie deckte ihn vorsichtig etwas mehr zu und blieb unschlüssig im Raum stehen. Das Mondlicht fiel durch das offenstehende Fenster und ließ alles in einem kalten, weißen Licht erscheinen. Die Nacht war warm und erfüllt vom Zirpen der Grillen und den Geräuschen anderer Nachttiere. In solchen Nächten war Marie oft allein durch das Dorf gewandert, wenn sie nicht schlafen konnte und ihre Gedanken ordnen wollte. Das war auch für sie als Frau völlig ungefährlich gewesen.
Seit die Zombies da waren, ging das nicht mehr. Sie waren wie Wachhunde und achteten darauf, daß die von Sinistre angeordnete Ausgangssperre eingehalten wurde. Wenn die Dorfbewohner keine Zeit hatten, sich untereinander auszutauschen, konnten sie auch nichts aushecken. Das war zumindest die logische Begründung, die sich Marie zusammengereimt hatte, als sie von der Ausgangssperre erfahren hatte. Vielleicht war es aber auch nur Schikane. Auch heute hatte sie die Bar wieder früh schließen müssen. Die Männer kamen zwar noch, tranken und rauchten, aber ihre Fröhlichkeit war dahin. Es erschien ihr, als wollten sie sich nur noch betäuben, um nicht über ihr Schicksal nachdenken zu müssen.
Und es wurden auch immer weniger. Erst gestern nachmittag hatte sie gesehen, wie Jésus, der Postbote, sich verstohlen in Richtung der Höhlen geschlichen hatte - dorthin, wo Sinistre sich aufhielt. Heute war der
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