0642 - Voodoo-Man
Stammgast nicht in der Bar erschienen.
Er war zu dem dunklen König übergelaufen.
Wenn es so weitergeht, wird er bald das ganze Dorf in seiner Hand haben. Auch deshalb müssen wir handeln, dachte Marie entschlossen. Sie trat ans Fenster, ließ ihren Blick über das ausgestorben wirkende Dorf schweifen und ging den Plan ein letztes Mal durch.
Über Wochen hinweg hatten sie und ihre Mitstreiter kleinere Mengen Dynamit aus der Stadt nach Bartes geschmuggelt. Das Dynamit zu bekommen, war kein Problem gewesen. Die kleinen Bergbaufirmen, die es noch verstreut auf der Insel gab, brauchten den Sprengstoff regelmäßig. Auch die Fischer setzten gerne Dynamit ein, um Fische zu fangen. Das war zwar illegal, ging aber schneller.
Marie hatte das Dynamit in ihrem Geheimkeller verstaut und anschließend in leere Rumfässer gepackt. Morgen früh würden sie damit beginnen, die improvisierten Bomben nach und nach rund um die Höhlen zu verteilen, in denen sich Sinistre und seine Anhänger aufhielten. Marie hätte diesen Teil des Plans gerne früher erledigt, aber das Risiko, daß jemand die Fässer entdecken könnte, war zu hoch gewesen. Die kleine Gruppe hatte nur unzureichende Kenntnisse über Sprengstoffe, deshalb hatten sie auf eine Zündvorrichtung verzichtet und sich auf lange Zündschnüre beschränkt, die sie aus den Fässern herausgelegt hatten. Jemand würde sie per Hand anzünden müssen.
Wenn sie die Fässer verteilt hatten, würden sie mit möglichst viel Lärm zu den Höhlen gehen und eine Audienz mit Le Roi Sinistre fordern. Marie war sich sicher, daß der dunkle König nicht ohne seine Anhänger und seine Zombie-Armee erscheinen würde. Sie mußten mit etwa zwanzig Zombies und vielleicht der Hälfte Menschen rechnen. Sobald alle aus dem Höhlensystem gekommen waren, würde einer von Maries Mitstreitern zu den Fässern laufen und sie sprengen. Dadurch würden sie Sinistre von den Voodoo-Puppen abschneiden, die ihn so gefährlich machten. Sie ging davon aus, daß die meisten seiner Anhänger, die sich ihm nur aus Furcht angeschlossen hatten, nicht bereit sein würden, ihr Leben zu riskieren.
Übrig blieben nur die Zombies…
Marie dachte an die Benzinkanister und Pechfackeln, die im Keller ordentlich aufgestapelt lagen. Sie hatte bei ihrem Plan versucht, das Leben aller Menschen zu schonen. Nur waren die Zombies ja bereits tot, und Marie hatte keine Skrupel, sie wieder in ihre Gräber zurückzutreiben.
Wie sie mit Le Roi Sinistre verfahren würden, blieb offen. Sie hatten nicht darüber gesprochen, aber Marie hoffte, daß es eine gewaltfreie Lösung geben würde. Glauben konnte sie daran jedoch nicht.
Sie kehrte in ihr Bett zurück. Schlafen würde sie nach diesem Traum wohl nicht mehr, aber sie konnte zumindest versuchen, sich auszuruhen. Man brauchte sie morgen zumindest einigermaßen ausgeruht.
Wider Erwarten schlief Marie nach einigen Minuten doch ein. Die Träume kamen wieder, aber dieses Mal tauchten darin auch zwei Weiße auf, die Marie noch nie in ihrem Leben gesehen hatte…
***
Château Montagne, Frankreich:
Das Telefon klingelte. Raffael, der alte Diener, der schon so lange im Schloß lebte, daß er gewissermaßen zum Inventar zählte, erhob sich aus seinem Sessel.
»Château Montagne. Wer spricht, bitte?« fragte er und aktivierte damit zugleich das Visofon, die computergesteuerte Telefon- und Sprechanlage. Die funktionierte über Tastatur oder Spracherkennung, war mit dem EDV-System gekoppelt und war auch Bildtelefon, wenn die andere Sprechstelle über eine entsprechende Ausrüstung verfügte.
Einen Moment lang hörte er nur ein Piepen und Rauschen, dann wurde die Leitung mit einem Klicken frei, und er konnte die Stimme seines Arbeitgebers hören. Sehen konnte er indessen niemanden; Bildtelefone gehörten eben Ende des 20. Jahrhunderts noch zu den Raritäten.
»Raffael? Hallo?«
»Monsieur Zamorra«, antwortete der alte Diener erfreut. »Sind Sie und Mademoiselle Duval gut angekommen?«
»Ja, sind wir. Raffael, wir brauchen Ihre Hilfe. Gehen Sie doch mal in mein Arbeitszimmer und werfen Sie die Rechner an. Rufen Sie alle Informationen über Voodoo auf den Karibik-Inseln ab und faxen Sie den Ausdruck an diese Nummer.«
Er nannte eine lange Zahlenfolge, die sich Raffael aufschrieb und zur Sicherheit wiederholte.
»Selbstverständlich«, bestätigte er dann. »Ich werde mich sofort darum kümmern.«
»Danke, Raffael.«
»Und wie ist das Wetter?« wollte der Diener wissen. Aber das
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