0642 - Voodoo-Man
Ereignisse ändern zu können.
Er klammerte sich an das Gefühl, lebendig zu sein, aber noch während er dachte, daß er es diesmal nicht loslassen würde, zerrann es wie Sand zwischen seinen Fingern und wurde ersetzt durch -- die beiden Wachen, die in jener Nacht in seine Zelle kamen. Er hörte, wie sich die Zellentür öffnete, aber das Geräusch schien weit, weit weg zu sein. Liberté Dupont befand im Dämmerzustand zwischen Leben und Tod.
Einer der beiden Männer trat ihm leicht gegen das Bein. Er nahm es wahr, reagierte jedoch nicht. Der andere Mann beugte sich über ihn und drehte seinen Körper auf den Rücken.
»Der hat's hinter sich«, sagte er kurz.
Der erste Mann grunzte nur.
»Hat lange genug gedauert«, hörte er die zweite Wache sagen.
Ich lebe doch noch, wollte Liberté schreien, aber er konnte noch nicht einmal stöhnen. Die Kraft in seinem Körper war versiegt, die Iora hatten ihn verlassen.
»War ein großer Voodoo-Priester«, bequemte sich der erste Mann jetzt endlich zu antworten. »Hat ihm viel gebracht.«
Die beiden Männer lachten dreckig. Die Arbeit in den Kerkern hatte sie verrohen lassen.
»Nimm du die Beine«, hörte er den zweiten Mann sagen.
Er spürte, wie sie ihn hochhoben, aber selbst der Schmerz, den die Bewegung in ihm auslöste, brachte kein Geräusch aus seiner Kehle hervor.
»Was ist denn das?« fragte die erste Wache. Der Mann setzte ihn wieder ab und griff nach dem kleinen Beutel, der an einem Lederband befestigt an Libertés Hals hing.
»Sieht aus wie ein Talisman«, antwortete der zweite Mann.
»Kann ja nicht schaden.« Liberté spürte, wie sie seinen Kopf anhoben und den Beutel nahmen.
Nein, schrie er in Gedanken , laßt ihn bei mir! Ich brauche ihn!
Bei seiner Geburt hatte seine Großmutter ihm diesen Beutel gegeben. Sie hatte gewußt, daß Libertés Macht so groß sein würde, daß die Dunklen unter den Iora versuchen würden, ihn zu verführen. Mit Kräutern und Beschwörungen hatte sie die stärkste Magie gewoben, die sie kannte, und sie in den Talisman gebannt. Der hatte ihn bis zum heutigen Tag vor der Macht der dunklen Geister geschützt.
In gleichen Moment, in dem die Wache den Talisman in die Hosentasche steckte, fühlte Liberté die Präsenz einer Macht. Sie flüsterte, säuselte und versprach, weinte über die Ungerechtigkeit seines kurzen Lebens, schwärmte von seiner großen Macht und schließlich, als Liberté vor Todesangst und Selbstmitleid fast wahnsinnig geworden war, sprach sie von Rache.
Ihre Saat fiel auf fruchtbaren Boden.
Während die beiden Wachen ihn auf eine Trage legten und den langen dunklen Gang hinuntertrugen, sog Liberté die Kraft der dunklen Iora in sich auf.
Als die Wachen die Tür zur Leichenhalle aufschlossen, hörte das Herz des Voodoo-Priesters auf zu schlagen. Im gleichen Moment entfesselte sich die Kraft, die die Iora in ihm gebündelt hatten.
Die magische Bombe, aus Haß und Verzweiflung geboren, explodierte.
Das letzte, was die beiden Männer sahen, bevor ihre leblosen Körper zu Boden fielen und ihre Lebenskraft in den Geist Libertés überging, warsein Grinsen, als er sich plötzlich aufrichtete und sie ansah.
Liberté Dupont war tot.
Le Roi Sinistre war geboren.
Er zuckte zusammen. Für einen Moment war ihm, als habe ihn ein kalter Hauch gestreift. Le Roi Sinistre schüttelte das Gefühl ab und wandte sich wieder seinen Beschwörungen zu. Es gab noch viel zu tun, bevor er das Ritual einleiten konnte.
Daß er geschlafen hatte, wußte er nicht.
Und an den Traum konnte er sich nicht erinnern.
***
Wenn sie ihn Chef nannte, war Gefahr in Verzug, das hatte Zamorra in den Jahren ihrer Beziehung herausgefunden. Ihm selber gefiel der Plan auch nicht besonders, aber zum augenblicklichen Zeitpunkt sah er keine Alternative.
Wie erwartet schüttelte Nicole den Kopf.
»Chef, das ist Irrsinn«, kommentierte sie seine Idee. »Der Voodoo-Priester hat etwas Persönliches von dir. Du bist in ständiger Gefahr. Was ist, wenn er dich angreift, und du das Amulett nicht trägst? Was soll dich schützen?«
»Ich kann es immer noch rufen«, entgegnete der Parapsychologe. Sie hatten beide die Fähigkeit, das Amulett selbst über eine größere Distanz mit einem geistigen Ruf zu sich zu holen. Das dauerte kaum eine Sekunde, funktionierte aber immer, sofern die Distanz zwischen Rufer und Amulett nicht zu groß war. Ob die Metallscheibe dabei die Grenzen des Raum-Zeit-Gefüges unterlief oder sich in einer anderen Dimension
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