0642 - Voodoo-Man
einzige, was er zur Antwort bekam, war das Freizeichen. Zamorra hatte bereits aufgelegt.
Kopfschüttelnd machte sich Raffael auf den Weg ins Arbeitszimmer. Das war typisch für den Professor und seine Lebensgefährtin. Selbst im Urlaub beschäftigten sie sich mit beruflichen Dingen. Aber so kam er selbst auch wieder einmal an etwas Beschäftigung.
***
Zamorra legte auf und wandte sich an Nicole.
»Er kümmert sich direkt darum«, wiederholte er Raffaels Worte.
Nicole runzelte die Stirn. »Warst du nicht ein wenig kurz angebunden? Er wollte doch bestimmt wissen, wie uns der Urlaub gefällt.«
»Ja, natürlich«, stimmte der Dämonenjäger zu. »Aber was sollte ich sagen? Toll, nur die Einbrecher stören ein wenig? Nein, Nici, ich will nicht, daß er sich Sorgen macht, aber anlügen wollte ich ihn auch nicht.«
Seine Lebensgefährtin nickte. »Wir können ihn ja aufklären, wenn wir zurück sind. Was meinst du, wie lange er für das Fax brauchen wird?«
»Eine Stunde, vielleicht auch zwei. Es sind eine Menge Daten, die zusammengestellt werden müssen.«
Er grinste. »Du solltest deinen Freund an der Rezeption vorwarnen, damit er genügend Papier ins Fax packt.«
»O nein,« entgegnete Nicole, »das kannst du gerne übernehmen. Dich hält er wenigstens nicht für eine Hexe.«
Damit spielte sie auf das Bild an, daß sich ihnen bei ihrer Rückkehr aus dem Ort geboten hatte. Philip, der Empfangschef, hatte Zamorra ganz normal begrüßt. Als er jedoch Nicole sah, hatte er sich bekreuzigt und war wortlos in ein Hinterzimmer verschwunden.
»Na ja«, konterte Zamorra. »Wenigstens konntest du das Image des blonden Dummchens aufpolieren.«
Nicole seufzte. »Vom Dummchen zur Hexe. Welch ein Aufstieg…«
Dann wurde sie ernst. »Glaubst du, in den Dateien wird es einen Hinweis darauf geben, wie es diesem Sinistre gelungen ist, das Amulett zu spüren?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Zamorra nachdenklich. »Es ist möglich, aber merkwürdig.«
»Er konnte es sogar orten«, ergänzte Nicole und fuhr überlegend fort: »Vielleicht kann er auf diese Informationen zugreifen, weil seine Magie auf einer anderen Ebene als unsere funktioniert.«
Zamorra nickte. »So könnte es gehen. Er nimmt nicht den augenblicklichen Zustand des Amuletts wahr, sondern das Potential, das darin steckt. Seine Aura, wie William sagte.«
Er lehnte sich zurück. »Eine ungewöhnliche Fähigkeit.«
»Eine gefährliche Fähigkeit«, erinnerte ihn Nicole. »Er kann uns damit anpeilen, als trügen wir eine Wanze bei uns. Das heißt, wir können ihn in Bartes nicht überraschen, weil er schon lange weiß, daß wir auf dem Weg sind. Dadurch kann er sich vorbereiten und uns das Leben sehr, sehr schwer machen.«
Zamorra nickte abwesend. In seinen Gedanken nahm ein Plan Gestalt an. Er war gefährlich und kompliziert, aber je länger er darüber nachdachte, desto besser gefiel er ihm.
Nicole bemerkte seine Geistesabwesenheit und zog sofort die richtige Schlußfolgerung. »Du hast eine Idee, oder?«
»Ich denke schon«, sagte der Parapsychologe langsam. Er wußte, daß Nicole seinen Plan nicht gutheißen würde, deshalb wählte er seine Argumentation sorgsam aus. »Ich bezweifle, daß Sinistre weiß, daß die Magie vom Amulett ausgeht, sonst hätte er nicht so verzweifelt versucht, etwas Persönliches von mir zu bekommen. Er hätte sich ja auch einfach das Amulett nehmen können. Er muß also davon ausgehen, daß er unseren Standort erfährt, wenn er die Quelle der Magie anpeilt, richtig?«
»Ich ahne, worauf du hinauswillst, und es gefällt mir überhaupt nicht«, murmelte Nicole.
»Wir werden morgen nach Bartes fahren«, fuhr Zamorra unbeirrt fort, »aber das Amulett bleibt hier.«
Nicole sah ihn an und schüttelte den Kopf.
»Chef, du bist verrückt,« sagte sie trocken.
***
In seinen Träumen lebte der dunkle König.
Er konnte sein Herz spüren, wie es in seiner Brust schlug und das Blut in die Organe und Gliedmaßen pumpte. Er spürte den Wind auf seiner Haut und die kleinen Härchen, die sich in der beginnenden Kühle des Abends aufstellten. Tief sog er die schwüle Luft Haitis in Lungen, die seit acht Jahren keinen Atemzug mehr getan hatten. Es war ein wunderbares Gefühl, und Le Roi Sinistre genoß es, obwohl er wußte, wohin der Traum ihn führen würde.
Jede Nacht träumte er den selben Traum, als wäre die Erinnerung an die letzten Stunden seines Lebens eine Endlosschleife, die er immer wieder durchlaufen mußte, ohne die
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