0643 - Das fliegende Grauen
Bild ab, als würde sie über dem Grund schweben und jeden Augenblick von einem Windstoß weggetragen werden können.
Wir hätten uns eigentlich daran gewöhnen müssen, doch das war nicht der Fall. Noch immer erschien uns diese Welt wie eine Fata Morgana, die im nächsten Augenblick verschwinden konnte.
Allerdings waren wir gut vorangekommen. Die Felsen boten uns die Deckung und den Sichtschutz, den wir brauchten.
Und wir schluckten den Staub. Er war einfach überall, glitzerte im Licht des Mondes wie Diamantsplitter. Gleichzeitig drückte die Kälte.
Die Temperatur war tatsächlich um einiges gesunken. Meiner Ansicht nach konnte sie durchaus nahe dem Gefrierpunkt sein.
In der Nacht erwachte auch in diesem felsigen Tal das Leben. Wir sahen die Tiere nicht, die sich tagsüber in den Spalten und Höhlen verborgen hielten, geschützt vor den sengenden Sonnenstrahlen, nun ins Freie krochen und auf die Suche nach Nahrung gingen.
Manchmal wehte ein fernes Heulen zu uns herüber. Klagende, jammernde Töne, geboren aus dem Rachen eines Wüstenfuchses oder einer Hyäne. Die hohen Gipfel des Atlas-Gebirges zeichneten sich als gewaltiges Massiv vor der Dunkelheit ab. Das auf die Gletscher fallende Mondlicht gab dem Eis einen fahlen Glanz, der einen starken Stich ins Graue bekommen hatte.
Es war nicht unsere Welt, aber wir mussten hindurch und waren froh, als das Gelände besser begehbar wurde, weil man die Felsen und großen Steine zur Seite geräumt hatte.
Auf einer Ebene, nicht mehr bergab, führte die Strecke jetzt direkt dem Ziel entgegen.
Dort standen die Lichter wie gemalt. Die hohen Palmen und Dattelbäume zitterten oder wiegten sich, wenn sie der nächtliche Wüstenwind streichelte, als wollte er jedes einzelne Blatt liebkosen.
Suko konnte es kaum erwarten. Er lief schneller als ich, als könnte er es kaum erwarten, endlich ans Ziel zu gelangen, wo hoffentlich die beiden Frauen warteten.
Eric Donati hatte von Aufpassern gesprochen. Wenn ich mir die Oase von außen her anschaute und daran dachte, sie persönlich bewachen zu müssen, dann würde ich meine nächtlichen Runden um das Gelände drehen. Davon war jedoch nichts zu sehen.
In der Dunkelheit waren die Geräusche sehr weit zu hören. Patrouillen wären uns also aufgefallen.
Doch wir hörten nichts, unsere eigenen Tritte einmal ausgenommen. Sie klangen manchmal erschreckend hell, dann wieder knirschend und dunkler, je nachdem über welchen Boden wir uns voranbewegten. Der dunkle Rand war bereits sichtbar. Für mich bildete er eine Mauer oder einen Wall, der das Gelände umgab.
Suko, dessen Rücken ich vor mir sah, blieb stehen und drehte sich zu mir um.
Erst als ich neben ihm stand, sprach er mich an. »Hör zu, John, ich habe da einen Plan. Wenn du genau hinschaust, siehst du einen Teil dieses Paradieses, der ziemlich im Dunkeln liegt. Wahrscheinlich hat man die Oase dort aus bestimmten Gründen nicht ausgeleuchtet. Wie wäre es, wenn wir dort einsteigen?«
»Immer.«
Er lächelte knapp und ging vor. Manchmal bewegte er sich wie ein Indianer auf dem Kriegspfad. So geschmeidig, sicher und gleichzeitig fast geräuschlos.
Von dem Monster hatten wir nichts mehr gesehen. Allerdings mussten wir damit rechnen, dass dieses Wesen es schaffte, unsere Ankunft zu melden, wie auch immer.
Das Risiko gingen wir ein, weil es keine andere Möglichkeit gab, ans Ziel zu gelangen.
Schon bald erreichten wir die Mauer. Das silbrige Mondlicht schien den Duft zahlreicher fremdartig wirkender Blüten über den Mauerrand hinweg bis an unsere Nasen zu tragen. Nach dem kratzigen Staubgeruch tat es gut, diesen Duft wahrzunehmen. Irgendwo fühlte sich jeder von uns besser, als wären wir von einem Stück Heimat umfangen.
Suko erwartete mich direkt an der Mauer, die er mit dem Rücken berührte.
Ich schaute hoch zum Rand. Dort wölbte sich ein dunkler Saum in die Höhe, eine natürliche Verlängerung aus Pflanzen und Blüten, die an der Innenseite hochwuchsen und die Mauer überwuchert hatten.
»Alarmanlagen?«
Suko hob die Schultern. »Ich habe bisher keine gesehen, kann mir allerdings gut vorstellen, dass sich, irgendwelche Drähte in dem Pflanzenwirrwarr verbergen.«
Ich nickte gedankenschwer. »Das ist natürlich gefährlich.«
»Oder der Sultan verlässt sich auf seine Aufpasser.«
»Die wir bisher nicht zu Gesicht bekommen haben.«
Suko deutete mit dem Zeigefinger auf mich. »Genau das macht mir Sorgen, John. Normalerweise lässt man eine Anlage wie diese hier
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