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0644 - Der Leichenfürst von Leipzig

0644 - Der Leichenfürst von Leipzig

Titel: 0644 - Der Leichenfürst von Leipzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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verließ Kommissar Harry Stahl das Fahrzeug. Er war ein hoch gewachsener Mensch, vielleicht ein paar Jahre älter als ich, sah aber noch gut aus, trotz seiner grauen Haare und wirkte irgendwie auf mich wie ein Frauenheld im Kino.
    Sogar sein Gesicht zeigte eine Urlaubsbräune und er trug einen Anzug, den er bestimmt nicht in einem der ostdeutschen Kaufhäuser erworben hatte.
    Wir waren uns von Beginn an sympathisch gewesen, und Stahl hatte mich auch sofort akzeptiert.
    »Dann kommen Sie mal mit, John«, sagte er, während aus einem anderen Fahrzeug der Tote ausgeladen wurde, der versteckt in einem billigen Plastiksarg lag.
    Wir gingen in den Ziegelsteinbau, wo Stahl sein Büro hatte. Alle Polizeibüros der Welt sahen irgendwie gleich aus. Da gab es keinen Unterschied zwischen Ost und West.
    Schmucklos, nüchtern, der Schreibtisch, das Telefon, der Aktenschrank, zwei oder drei Besucherstühle, wobei ich mir einen davon heranzog, als Stahl bei einer kleinen bebrillten Person Kaffee bestellte. »Aber nehmen Sie den aus dem Westen.«
    »Klar, Chef, den aus der TV-Werbung.«
    »Richtig. Wo die schönen Frauen und die kernigen Männer immer einkaufen.« Danach grinste er mich an. »Sie sehen, John, wir sind auch hier auf dem Laufenden, was die Westwerbung angeht.«
    »Sorry, da kann ich nicht mitreden.«
    Er schlug gegen seine Stirn. »Ich vergaß, sie kommen aus London, der Nebelstadt.«
    »Das ist auch nicht mehr so wie früher. Der Nebel hält sich in Grenzen. Sie haben hier mehr.«
    »Ja. Dreck aus den verdammten Kombinaten, wo vierzig Jahre lang geschludert wurde. Jedenfalls bin ich froh, dass ich hier wieder sitze. Über die Dauer von drei Jahren war ich out.«
    »Weshalb?«
    »Können Sie sich das nicht denken? Ich habe mich quergestellt. War kein SED-Mitläufer. Deshalb brauche ich mich auch nicht als Wendehals anzusehen.«
    »Hatte man Sie suspendiert?«
    »Das nicht gerade, aber auf ein Abstellgleis gestellt. Ich bin wieder Streife gelaufen. Tat meiner Kondition übrigens sehr gut, wenn ich ehrlich sein soll.« Er beugte sich vor, die Arme legte er verschränkt auf die Schreibtischplatte. »Kommen wir zu Ihnen, John. Sind Sie tatsächlich ein Geisterjäger oder ein Mann, der sich mit Dämonen herumschlägt?«
    »Stimmt.«
    »Kann ich kaum glauben. Wie machen Sie das?«
    Ich winkte ab. »Ihnen das alles zu erzählen würde zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Da wir zusammenarbeiten, werden Sie das wahrscheinlich erleben.«
    Harry Stahl nickte. »Darauf bin ich schon gespannt. Ich meine, wir können ehrlich zueinander sein. Dass jemand von einem Schatten getötet wird und sein Körper dermaßen schnell an Temperatur verliert, kann ich mir nicht vorstellen.« Er schlug gegen seine Stirn. »Das will in meinen Polizistenschädel einfach nicht hinein, John. Haben Sie denn keine Erklärung?«
    »Eine allgemeine schon.«
    »Und die wäre?«
    »Magie, Harry.«
    Er verschluckte eine weitere Frage, denn die Sekretärin erschien. Sie war ein putziges Wesen, schielte zu mir, lächelte mit dem kirschroten Mund und erklärte, dass sie Maria hieß. Den Nachnamen sagte sie auch, der aber hörte sich so polnisch an, dass ich große Augen bekam, als ich ihn erfuhr.
    Harry lachte. »Schön, John, schön. So schaut jeder. Ich kann den Namen auch nicht behalten.«
    »Was sagt denn Ihr Chef zu Ihnen?«
    »Mary.« Sie stellte die beiden weißen Tassen ab. »Einfach Mary. Können Sie auch sagen.«
    »Gern.«
    Ich probierte den Kaffee. Mary und ihr Chef beobachteten mich dabei. Noch während ich schluckte, meinte Harry grinsend: »Es hat sich sogar bis zu uns herumgesprochen, dass Sie ein Kaffeekenner sind, John.«
    Ich schaute hoch, noch immer den Kaffeegeschmack im Mund. »Und?«, fragte Mary.
    »Stark.«
    »Zu stark?«
    »Nein, so meine ich das nicht. Der Kaffee schmeckt gut. Ich kann nicht klagen.«
    Mary bekam einen roten Kopf. Fast so rot wie ihre Bluse. »Ha, da bin ich aber froh, vorausgesetzt«, sie drohte mit dem Zeigefinger, »Sie haben mich nicht angelogen.«
    »Wie käme ich dazu?«
    »Ich traue euch Männern nicht.«
    »Damit schließt sie mich ein«, sagte Harry Stahl, als er hinter ihr herschaute. Wieder fragte er mich nach meinem Job, und ich wollte den Grund wissen.
    »Das will ich Ihnen sagen, John! So etwas fehlt bei uns im Lande!« Er hatte mit ernster Stimme gesprochen, wobei er meine Gedanken nicht erriet, denn irgendwie hatte er genau ins Zentrum getroffen. Seit Mallmanns Verwandlung in einen Vampir hatten Deutschland

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