0644 - Der Leichenfürst von Leipzig
begehbar sind, dann würden sie sich als Verstecke ideal eignen.«
»Das ist möglich.«
»Sehen Sie. Ich bin gekommen, um einen Killer zu stellen, auch wenn es nur ein Schatten ist. Irgendwo muss ich mit der Suche beginnen. Da scheinen mir die alten Gewölbe der richtige Ort zu sein. Natürlich kann ich mich irren, aber das wird sich herausstellen. Ich möchte Sie deshalb bitten, mir eine genaue Beschreibung zu geben. Mir aufzuzeichnen, wie ich am besten in diese Unterwelt gelange. Ist das zu viel verlangt?«
»Überhaupt nicht. Ich habe nur Angst um Sie, Inspektor. Es ist lange her, dass ich einen derartig sympathischen Menschen kennen gelernt habe wie Sie.«
»Danke. Auch ich fühle mich bei Ihnen wohl, Frau Schulz.« Das war nicht gelogen. Suko brauchte keine von einem Innenarchitekten oder Designer eingerichtete Wohnung, auch nicht die Planspiele irgendwelcher Supermarktmöbelketten in sein Wohnzimmer zu stellen. Diese Mischung aus alten Möbeln verströmten eine Gemütlichkeit, die einfach da war und nicht mehr verflog.
»Wollen Sie nicht doch etwas trinken? Ich kann Ihnen einen Tee zubereiten, Inspektor.«
»Nein, lassen Sie nur. Ich möchte gern in die Gewölbe hinein. Das lässt mir jetzt keine Ruhe mehr.«
»Natürlich, Sie sind der Polizist, Inspektor.« Die Frau erhob sich und reckte ihre Arme. »Kommen Sie noch einmal zurück, Inspektor? Ich möchte gern wissen, was Sie herausgefunden haben.«
Suko lächelte. »Natürlich kehre ich zurück. Wenn nicht ich, dann eben mein Freund und Partner, ein gewisser John Sinclair. Er ermittelt in dem gleichen Fall.«
»Ah ja, zu zweit geht es besser.«
»Das stimmt.«
Die Wohnung bestand aus zwei Räumen. In den Nachbarraum hatte Suko noch keinen Blick werfen können. Er beherbergte sicherlich das Schlafzimmer.
Grete Schulz hatte seinen Blick bemerkt. »Ja, da ist mein Schlafzimmer. Ein sehr kleines Zimmer, wie ich finde. Für mich reicht es. Ich bin Kriegerwitwe. Als ich erfuhr, dass mein Mann gefallen ist, habe ich keinen fremden Mann mehr in den Raum hineingelassen. Es sind eben zu viele Erinnerungen damit verbunden, auch wenn die Zeit mit Herbert nur sehr kurz gewesen ist.«
Suko nickte, er konnte die Frau gut verstehen. Mit Shao war es ihm ähnlich ergangen. Er wollte schon zur Tür gehen, als er Schritte hörte, die draußen im Flur angeklungen waren.
»Erwarten Sie Besuch?«, fragte Suko.
»Nein. Ich weiß auch nicht, ob die Person zu mir will. Die Schritte hören sich an, als würde eine Frau die Treppe hochkommen.«
»Hier wohnen noch mehr Parteien, nicht wahr?«
»Sicher.«
Suko lächelte, hob die Schultern und wollte nach der Klinke greifen, als die Schritte verstummten.
Direkt vor der Wohnungstür!
Das hatten beide gehört. Suko wich zurück. »Also doch Besuch«, flüsterte er.
»Wahrscheinlich. Ihr Freund?«
»Nein, das hätte ich gehört.«
»Ich weiß auch nicht, wer es ist.«
Suko war misstrauisch geworden. Er hatte der Frau zwar nicht das Gefühl gegeben, in Gefahr zu schweben, seiner Ansicht nach aber stand sie auf der Liste.
»Ich bleibe hier«, sagte Suko ganz spontan.
»Ja, aber…«
»Kann ich in das Schlafzimmer?«
»Sicher.«
»Gut, Frau Schulz. Tun Sie mir einen Gefallen und öffnen Sie erst, wenn ich verschwunden bin.«
»Mach ich.«
Suko bekam auf halbem Weg das Klopfen außen an der Tür noch mit. Dann drückte er sich in den anderen Raum, der ziemlich kühl war und nur ein sehr kleines Fenster hatte, mehr eine Luke, durch die das Licht auf ein altes Doppelbett fiel. Beide Hälften waren sorgfältig gemacht. Es roch nach Mottenpulver.
Suko hatte die Tür nicht ganz geschlossen. Er konnte durch einen schmalen Spalt schauen, der so eng war, dass der Besucher ihn so schnell nicht entdeckte.
Wieder klopfte es, und Frau Schulz rief ungeduldig. »Ja, ja, ich mache schon auf.«
Suko beobachtete sie. Grete Schulz drückte die Klinke nach unten, öffnete vorsichtig, dann ruckartig und gab einen leisen Schrei von sich, als sie die Person sah, die das Zimmer betrat.
Es war eine Frau, eine junge Frau mit einem bleichen Gesicht.
Leichenbleich…
Suko hatte sie nie zuvor gesehen, aber Grete Schulz kannte die Besucherin, denn sie redete die junge Frau mit dem Namen an.
»Erika, wo kommst du denn her…?«
Sukos Herzschlag verdreifachte sich. Es war eine Tatsache und nicht wegzuleugnen.
Grete Schulz hatte Besuch von einer Toten bekommen…
***
Ich stieg als einer der Ersten aus dem Mannschaftswagen. Erst dann
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