0644 - Der Leichenfürst von Leipzig
solchen Leuten gebe ich mich nicht ab. Nicht mit Männern, die sich Mädchen kaufen. Das ist nicht mein Gebiet.«
»Pardon, so habe ich es nicht gemeint. Ich suche nämlich nach einem Zusammenhang zwischen dem Kunden und diesem mordenden Schatten, wenn Sie verstehen.«
»Das schon, nur begreife ich es nicht.«
»Sagen wir so, Frau Schulz. Könnte es möglich sein, dass sich der Schatten von dem Mann gelöst hat?«
»Wie bitte?«
Suko fing anders an. »Ich meine, dass der Schatten und der Fremde zwei verschiedene Paar Schuhe sind. Der Schatten schaffte es, sich zu lösen, und er brachte das Mädchen um.«
»Aber ein Schatten gehört zu einem Menschen.«
»Normalerweise schon…«
Sie dachte scharf nach, das sah Suko ihr an. Deshalb stellte er auch keine Frage. Nach einer Denkpause sprach Frau Schulz wieder. »Ich habe es der Polizei schon gesagt, weiß aber nicht, wie die Leute darüber gedacht haben.«
»Erzählen Sie es noch einmal, bitte.«
»Ja, das ist so, Inspektor. Ein Schatten kann doch nur entstehen, wenn Licht ist - oder?«
»Da haben Sie Recht.«
»An diesem Abend oder in dieser Nacht war es dunkel. Da konnte kein Schatten entstehen, denn die Laterne ist zu weit entfernt. Sie gibt zudem kaum Licht ab. Dennoch war der Schatten da. Er - er ist ohne Licht entstanden.«
»So muss es sein.«
»Macht Ihnen das nicht Angst?«, flüsterte sie. »Mir ist es gewesen, als hätte der Teufel seine Hand im Spiel gehabt. Ich habe mal früher eine Geschichte gelesen. Da hat ein Mann seinen Schatten verkauft. So muss es auch heute sein…«
»Schon möglich, dass es so etwas gibt.«
»Sie müssen das wissen, Sie sind doch ein Spezialist. Sie kommen von London und…«
»Liebe Frau Schulz. Ich müsste diesen Mann und auch den Schatten zunächst einmal finden. Deshalb bin ich zu Ihnen gekommen, weil ich hier einen Hinweis finden möchte.«
»Damit kann ich Ihnen nicht dienen, glaube ich. Es war zu dunkel, der Mann trug zudem einen Hut.« Sie hob die Schultern. »Die - die Tat ging schnell vorbei.«
Suko lächelte, obwohl ihm danach nicht zumute war. Er begann auch sehr vorsichtig. »Ich möchte Sie nicht erschrecken, Frau Schulz, aber könnte es sein, dass der Mörder darüber informiert ist, dass Sie die Tat beobachtet haben?«
»Ich als Zeugin, nicht?«
»Ja.«
»Weiß ich nicht. Ich bin auf die Straße gelaufen. Da kam noch ein Nachbar hinzu, Herr Schneider. Vielleicht sind wir beide beobachtet worden, wer kann das sagen?«
»Gehört haben Sie nichts?«
»Wie sollte ich denn?«
»Ich denke da an Drohungen. An Briefe, Besuche, an bestimmte Anrufe…«
»Nein, nichts. Außerdem besitze ich kein Telefon. Mich hat keiner versucht einzuschüchtern.«
»Dann seien Sie froh.«
»Haben Sie denn damit gerechnet?«
Suko hob die Schultern. »Auch wenn der Fall sehr ungewöhnlich ist, diejenigen, die dahinter stecken, reagieren meist wie normale Gangster.«
»Wirklich, damit kann ich nichts anfangen. Ich habe den Mann in Schwarz seit diesem schrecklichen Abend nicht mehr gesehen.«
»Könnte er denn hier in der Nähe wohnen?«, erkundigte sich Suko.
»Wie kommen Sie darauf?«
»Reine Gefühlssache. Wenn ich mich hier umschaue, sieht es doch etwas gruselig aus. Die Gasse kommt mir vor wie eine alte Filmkulisse.«
»Da haben Sie Recht. Nachts wird es schon unheimlich. Es ist auch vieles zu Bruch gegangen, und nicht nur während des letzten Krieges. Es war kein Geld da, um etwas zu erneuern. Das bezieht sich nicht nur auf die Häuser, sondern auch auf die alten Gewölbe…«
»Wie bitte? Gewölbe?«
Frau Schulz nickte. »Ja, sie liegen noch unter einigen Häusern. Vor dem Krieg hat man dort Waren gelagert. Sie haben auch als Bunker gedient, wo sich die Menschen zurückzogen, wenn es Alarm gab.«
»Und diese Gewölbe existieren noch?«
»Ja und nein. Einige sind eingestürzt, andere sind noch vorhanden.«
»Waren Sie selbst schon unten?«
»Gott bewahre!«, rief sie. »Keine zehn Pferde kriegen mich dort hinunter. Da kann man es mit der Angst bekommen, Inspektor. Das ist nichts für eine alte Frau.«
»Aber Sie kennen die Eingänge?«
»Einige.«
»Wie kommt man dorthin?«
Grete Schulz starrte Suko an, als hätte er ihr etwas Unverschämtes gesagt. »Moment mal, Inspektor, das hört sich ja an, als wollten Sie nach unten…«
»Vielleicht.«
»Das ist zu gefährlich.«
»Für Sie ja, Frau Schulz. Aber Sie haben mich da auf eine Idee gebracht. Wenn die Gewölbe noch existieren und auch
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