Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0645 - Das ewig Böse

0645 - Das ewig Böse

Titel: 0645 - Das ewig Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
Vom Netzwerk:
öffnete sie die Augen. Zwei blaue Strahlen schossen aus ihnen hervor, verästelten sich und breiteten sich kurz über dem ganzen Dorf aus, bevor sie verloschen.
    Dann senkte sich der Staub.
    Es war vorbei.
    Nicole suchte nach der Seherin und fand sie ruhig und mit geschlossenen Augen in ihrem Zelt.
    Nefir-Tan stellte sich erleichtert neben sie. »Dir ist nichts passiert, Anxim-Ha. Das Glück war wohl auf unserer Seite.«
    Außer ihr selbst scheint niemand das seltsame Schauspiel gesehen zu haben, dachte Nicole. Anscheinend gab es einige Dinge, die Anxim-Ha vor ihren Anhängern verborgen hielt. Nicole fragte sich, weshalb.
    Sie sah sich im Dorf um.
    Der Angriff hatte nur wenige Sekunden gedauert, und die Schäden waren nicht besonders groß. Zwei Hütten waren zerstört worden, einige Bäume umgeknickt. Niemand schien verletzt zu sein. Es hätte schlimmer kommen können.
    Doch dann bemerkte Nicole die Verzweiflung auf den Gesichtern der Menschen.
    »Was ist los?« fragte Nicole einen Mann, der apathisch auf einem der umgestürzten Bäume saß.
    »Siehst du es denn nicht?«, antwortete er bitter. »Dort, der Fluß.«
    Und dann begriff Nicole, was er meinte. Das Wesen, von dem nie mehr als ein Flügel zu sehen gewesen war, hatte das Dorf nicht richtig angegriffen. Das war nicht mehr als eine Finte gewesen, um von seinem wahren Ziel abzulenken.
    Es hatte den Fluß verschüttet!
    Von dem dünnen Rinnsal, über das Nicole eben noch gelächelt hatte, als Nefir-Tan es als Fluß bezeichnet hatte, war nichts mehr übrig außer Sand und Steinen. Vor Nicoles Augen vertrocknete, seiner Quelle beraubt, auch der kleine Kanal, den die Dorfbewohner angelegt hatten.
    Mit dem Wasser schwand auch der Reichtum des Dorfes. Es gab jetzt nicht mehr viel, was diese Menschen von dem Schicksal der Kannibalen trennte.
    Sie standen vor dem Nichts.
    »Du hast das Böse gesehen«, hörte sie Anxim-Has Stimme hinter sich. »Verstehst du jetzt, was du tun mußt?«
    Nicole heftete den Blaster zurück an das Magnetfeld und beobachtete, wie der Rest des Kanals im braunen Sand versickerte.
    »Ja,« antwortete sie entschieden, »ich verstehe.«
    ***
    Das Wesen, das sie böse nannten, erhob sich hoch in die Lüfte und lachte laut über Anxim-Has Versuch, ihm eine Falle zu stellen. Die alte Frau vergaß von Jahr zu Jahr mehr von dem, was sie einst zu einem großen Gegner gemacht hatte. Schon bald würde es die Menschen vernichten und die Welt wieder zu ihrem Recht führen.
    Das Wesen kämpfte gegen den Schmerz, mit dem das Licht es erfüllte, und beschleunigte seinen Weg zurück in die wohlige Dämmerung, aus der es gekommen war.
    Es hatte keinen Namen und war auch nie geboren worden. Es wußte nicht, woher es kam oder wie es geschaffen worden war. Eines Tages, mit der Geschwindigkeit eines Lidschlages, hatte es plötzlich existiert.
    Und war voller Haß.
    Von der ersten Minute seines Lebens war es nur von einem Gedanken erfüllt gewesen, die zu rächen, die sich nicht wehren konnten. Es wollte eine Schneise der Gewalt in diese Welt graben, die nach der großen Katastrophe fast unbewohnbar geworden war.
    Wenn es erst einmal alle vernichtet hätte, die seiner Art einst Unheil angetan hatten, dann würde sich alles zum Guten wenden, davon war das Wesen überzeugt.
    Dieses Mal würde es Anxim-Ha vernichten - und alle, die sie feige vorschickte, um es zu töten.
    Mit einem erleichterten Seufzer sah das Wesen die Dämmerung am Rande des Horizonts auftauchen. Es war ein Anblick, der ihm auch nach tausend Jahren noch immer den Atem verschlug.
    Wie ein graues Band zog sich die Dämmerung am Rand der Helligkeit entlang. Hinter dem Wesen stand die Sonne am Himmel, so wie sie es seit der großen Katastrophe getan hatte. Unbarmherzig erhellte sie diese Seite der Welt mit ihrem Licht, das niemals verging, so sehr die Menschen auch darauf hofften.
    Jenseits der Dämmerung lag die Dunkelheit mit ihren schneebedeckten Bergen und Tälern und den Bäumen, deren Blätter violett schimmerten. Nur durch diese Blätter konnten sie die ultraviolette Strahlung aufnehmen, die ihnen das Sonnenlicht ersetzte.
    All das interessierte das Wesen aber nicht. Es sah nur, daß der dünne Vegetationsstreifen am Rande der Dämmerung, dort, wo die Sonne nicht ganz so gnadenlos zuschlug, unbewohnt war. Das erfüllte es mit Stolz.
    Anfangs, kurz nach der Katastrophe, hatten die meisten Menschen hier gesiedelt. Der Schnee und die Bäume auf der anderen Seite versorgten sie mit Nahrung. Zwar

Weitere Kostenlose Bücher