0646 - Monster auf Malta
vor.
»Erzählen Sie!«
Der Fahrer ließ den Seat am Straßenrand ausrollen. Dann drehte er sich halb nach hinten.
»Ein Geschäftsfreund von Giovanni war im Sommer hier«, sagte er. »Auf Urlaub. Giovanni wollte ihm die Gegend zeigen. Natürlich auch Mnjaidra und Hagar Qim, sind schließlich ziemlich gut erhaltene Ruinen. Tja, und dann sind die beiden nicht zurückgekommen. Wir haben Blut gefunden und Kleidungsfetzen. Die Monster haben die beiden regelrecht zerfetzt.«
»Woher wissen Sie, daß es Monster waren?«
»So was kriegt kein Mensch zustande«, sagte der Taxifahrer. »Hören Sie, nicht mal Granatenbeschuß langt dafür, und den hätte man immerhin erstens hören müssen und zweitens hätte es Spuren gegeben. Gab es aber nicht.«
»Warum haben Sie damals nichts gesagt?«
»Weil mir die Sensationszeitungen nicht gefallen, die die Meldung verbreitet haben. Die Angehörigen von Giovannis Geschäftsfreund haben die mobil gemacht. Die Polizei wollte mir nicht glauben und den anderen auch nicht, und der Pfarrer sagt, es gibt keine Monster auf Gottes Erde außer den Monstern in uns selbst. Sollte ich mich lächerlich machen?«
»Wenn wir damals mit Ihnen hätten reden können…«
»Woher soll ich wissen, wer sich wann auf Malta befindet? Und wer mich ernst nimmt oder nicht? Ich weiß ja auch nicht, ob Sie mich ernst nehmen. Ich weiß nur, daß Sie nicht von hier sind. War ein nettes Spektakel heute mittag an Ihrem Hotel.«
»Können Sie mir beschreiben, wo Ihr Bruder und sein Freund getötet wurden? Aus den Zeitungsmeldungen ging das nicht hervor. Es war nur von Hagar Qim die Rede, und das ist doch etwas allgemein, nicht wahr? Sie sagten, Sie hätten Blut gefunden.«
»Ich kann's Ihnen nicht nur beschreiben, ich werde es Ihnen zeigen.« Der Fahrer stieg aus, öffnete den Kofferraum des Seat und nahm eine Panzerfaust heraus, die er sich über die Schulter packte.
»Sind Sie wahnsinnig?« entfuhr es Nicole.
»Zum vierten«, murmelte Zamorra sinnig. »Oh, pardon - diesmal bin ja nicht ich gemeint…«
»Wo haben Sie das Ding denn her?«
»Abfindung aus meiner Militärzeit«, sagte der Taxifahrer. »Ich heiße übrigens Salvatore. Salvatore Bescucci.«
Zamorra und Nicole stellten sich endlich ebenfalls vor. Abfindung, murmelte Zamorra. Ganz bestimmt keine, von der Salvatores Dienstherr wußte…
»Damit brate ich den Monstern eins über, wenn ich sie erwische«, sagte Salvatore. »Es gibt Gerüchte, die Biester seien bei Tage unsichtbar. Aber man könne sie trotzdem sehen, wenn man wolle.«
»Von diesen Gerüchten wußten wir bisher auch nichts.«
»Vielleicht haben Sie nicht die richtigen Leute gefragt. Damals waren gerade diese Bluthunde von der Regenbogenpresse hier. Denen erzählt man doch nicht die Wahrheit. Weil sie die Wahrheit sowieso nicht schreiben. Vielleicht hat man Sie für Reporter gehalten.«
Jetzt erst schien er den Blaster an Nicoles Gürtel zu sehen; Zamorras Strahlwaffe war unter der Lederjacke verdeckt.
»Was ist das denn für ein Spielzeug? Sieht aus wie 'ne Wasserpistole. Wollen Sie damit Flöhe erschrecken?«
»Nur, wenn ich diese Flöhe husten höre«, sagte Nicole.
Sie lief zu einem Hügel hinüber und sah sich von dessen Kuppe aus um.
Nicht, daß ihr Blickfeld von dort aus wesentlich größer gewesen wäre… »Von unserem Mercedes ist noch nichts zu sehen.«
»Haben Sie schon einmal eine Frau mit schockrotem, sehr langem und sehr fülligem Haar gesehen?« fragte Zamorra.
Salvatore nickte.
»Die ist manchmal hier. Aber jedesmal, wenn ich mit ihr reden will, verschwindet sie, als hätte sie Angst. In den Ortschaften habe ich sie nie gesehen. Ich weiß nicht, wie sie heißt und wo sie wohnt. Glauben Sie, sie hat etwas mit den Monstern zu tun? Ich dachte, sie trauert auch um ein Opfer. Es hat ja noch mehrere gegeben.«
»Was sagt die Polizei dazu?«
»Nichts. Ungeklärte Fälle.«
»Scheinbar ist man hierzulande nicht besonders arbeitswütig«, vermutete Nicole. »Erst recht nicht als Uniformträger.«
»Ach sehen Sie, das ist kein Wunder«, sagte Salvatore. »Die Leute glauben nach über dreißig Jahren immer noch, alles sei wie früher.«
»Wie früher?«
»Vor 1964 war die Hälfte der maltesischen Bevölkerung bei den Behörden angestellt oder beamtet. Damals war Malta nur halbautonom, praktisch ein Anhängsel Großbritanniens. 1964 kam die Unabhängigkeit. Die meisten der Angestellten und Beamten wurden danach freigestellt, wie es so schön heißt - man
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