0647 - Hexenzauber
harmlos einstufen, aber wie er wusste, sollte es auch andere geben oder andere Kräfte, die durch die Beschwörungen der weißen Hexen an die Oberfläche geholt worden waren.
Markus Piper hatte sich mit diesem Thema beschäftigt, während er darauf wartete, dass Ute ihm ein Zeichen gab. Er wusste nicht genau, was sie hinter den Steinen wollte. Sie tat so, als würde sie sich vor ihm schämen.
Er selbst gestand sich ein, auch nicht konsequent gewesen zu sein. Er hätte mitgehen oder sie zurückhalten sollen. Möglicherweise wäre dann ihre Beziehung in die Brüche gegangen, und das wiederum wollte er nicht.
Es dauerte lange, bis er sich dazu durchgerungen hatte, ihren Namen zu rufen. Doch an die Steine traute er sich nicht heran. Er wusste auch nicht, welche Kraft ihn davon abhielt, möglicherweise sein eigenes ungutes Gefühl.
»Ute!« Laut hatte er gerufen, und in der Stille klang seine Stimme noch lauter.
Sie musste den Ruf gehört haben, sie hatte ihn auch vernommen, aber sie ließ sich Zeit mit der Antwort. Dazu stellte sie noch eine Frage, die Markus überhaupt nicht gefiel.
»Bist du immer noch hier?«
»Klar doch, ich…«
»Gehhh weg!« Das erste Wort dehnte sie in die Länge. Es hörte sich an wie eine Mischung aus Bitte und Befehl. Darüber wunderte sich Markus Piper, doch auch eine gegenteilige Reaktion trat bei ihm ein. Plötzlich überwog der Trotz.
Er würde gehen, aber nicht weglaufen. Er wollte sehen, was sich hinter den Steinen abspielte, die er nur bei Tageslicht kannte und die ihm in der Dunkelheit so unheimlich vorkamen.
Ute sagte er nichts von seinem Vorhaben, und er sorgte auch dafür, dass sie ihn nicht hörte, indem er sich nur langsam und leise voranbewegte.
Er schwitzte. Die Luft roch noch intensiver. Die Blüten der Sommerblumen entfachten ein Aroma, das ihn störte. Doch dieser Duft hüllte ihn ein. Er konnte ihm nicht entfliehen.
Das Gras war wie ein Teppich. Seine Schritte konnten nicht gehört werden. Rechts von ihm schob sich der Schatten vom schrägen Grund aus in die Höhe.
Ein mächtiger Stein, ein Gebilde, vor dem man Furcht bekommen konnte. Zudem sah er aus, als würde er jeden Augenblick auf den daneben stehenden Menschen zukippen.
Der seichte Nachtwind strich über das Land und trug ein zischendes Geräusch an ihn heran, als würde Dampf aus einem Kessel strömen.
Gewitterluft hing in dieser Nacht fest. Er konnte sich gut vorstellen, dass es plötzlich zu einer Entladung kam.
Das Zischen identifizierte er als Utes Stimme. Sie flüsterte, sie sprach, aber mit wem?
Markus Piper war irritiert. Mit einer Hand stützte er sich an dem Stein ab. Sie wirkte wie poliert, war gar nicht rau. Menschenhände mussten sie bearbeitet haben.
Utes Stimme war verstummt.
Die Stille kam ihm greifbar und unnatürlich vor. Markus Piper hielt den Atem an.
Im nächsten Augenblick bemerkte er die hellen Schatten. Hinter dem Stein zuckten sie auf und fanden ihren Weg. Sie glitten über den dichten grünen Boden, wo sie einen Widerschein erzeugten, der den Grasteppich fahl anleuchtete.
Markus Piper hätte jetzt noch wegrennen können. Allein, er tat es nicht. Er ging noch einen Schritt, dann um den Menhir herum - und konnte nur noch staunen.
Gleichzeitig aber kam die Angst. Denn das Bild, das sich ihm bot, war ungeheuerlich…
***
Ute Bergmann saß nackt im Gras. Ihr heller Körper und die blonden Haare zeichneten sich deutlich ab. Hätte sie ein Kleid getragen und wäre sie kleiner gewesen, wäre durchaus der Vergleich mit dem Sterntalermädchen treffend gewesen, denn auch Ute saß mit zurückgelegtem Kopf da und schaute in die Höhe, wobei sie weniger den Himmel anstarrte als die Flammen.
Als zuckender Ring umgaben sie die im Gras sitzende Nackte. Für Markus gab es keine Erklärung, es sei denn, er folgte den Theorien der weißen Hexen, die von einem reinigenden Feuer sprachen, wenn sie die Flammen meinten. Das genau schien hier zuzutreffen zu sein.
Ute fühlte sich innerhalb des Flammenkreises außergewöhnlich wohl. Sie berührte den Boden und hatte die Arme ausgestreckt. Dazu bewegte sie diese auf und nieder, als wollte sie damit den Rhythmus der Flammen folgen.
Er konnte sich vorstellen, dass auf ihrem Gesicht ein Lächeln lag, aber das schob er zur Seite, denn andere Dinge waren jetzt wichtiger. Zum Beispiel das Feuer.
Normalerweise hätte ihn ein Hitzeschleier treffen müssen, davon spürte er nichts. Die Flammen brannten neutral, und sie hatten auch nicht die Farbe
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