0649 - Der Junge von Stonehenge
die Flecken der Hände, die auf ihr lagen.
Ich verstand die Welt nicht mehr und suchte auch nicht nach großen Erklärungen. Wichtig waren die drei Schläger. Sie mussten in ärztliche Behandlung.
Als hätte der Anführer meine Gedanken erraten, so streckte er mir seine Hand entgegen und drehte sie so, dass ich gegen die verbrannte Innenfläche schauen konnte.
Sie bot ein Bild des Schreckens.
Zwischen der aufgerissenen Haut sah ich das nackte Fleisch, das von Blutklumpen überzogen war. An einigen Stellen hingen auch verbrannte Hautfetzen wie lästige Tuchreste.
Den anderen beiden war es kaum anders ergangen. Auch ihre Hände zeigten schwere Verletzungen. Dabei hatten sie eigentlich noch Glück gehabt, denn dieser Junge hätte sie auch töten können, was mir in diesem Augenblick bewusst wurde.
Ich richtete mich in dem Moment auf, als der Zug hielt. Die Türen konnten sich nicht so schnell öffnen, wie die Fahrgäste zu den Eingängen strömten.
Der Ruf nach der Polizei wurde laut. Sehr rasch liefen Bahnbeamte herbei und betraten den Wagen.
Sie sahen mich und meinen Ausweis.
»Sir?«
»Holen Sie einen Arzt. Diese drei jungen Männer hier müssen unbedingt in ärztliche Behandlung.«
»Gut.«
Der Zug würde nicht mehr weiterfahren. Ich blieb im Wagen. Von außen glotzten die Neugierigen herein. Ihre Gesichter sahen durch die Scheiben weiß wie Bettlaken aus. Sie sprachen zwar miteinander. Was sie allerdings sagten, konnte ich nicht verstehen.
Nach wie vor stand die Szene wie festgemauert in meiner Erinnerung.
Ich fragte mich auch, was ich persönlich falsch gemacht hatte, konnte jedoch nichts finden. Mit dieser schaurigen Entwicklung hätte niemand rechnen können, auch ein Hellseher nicht.
Die aggressiven drei jungen Männer waren nur mehr weinende Bündel, die Trost brauchten, den ich ihnen gab. Ich sprach davon, dass sie in ärztliche Behandlung kommen würden und auch davon, dass man Haut wieder anpflanzen konnte.
»Das geht doch nicht!« keuchte der Jüngste von ihnen. Er hatte mit seiner blutigen Handfläche über das weißviolette Haar gestrichen und eine dementsprechende Farbe hinterlassen.
»Doch, das schaffen die Weißkittel.«
Er weinte. Ich fragte den Anführer danach, was er gespürt hatte, als ihn die Attacke erwischte.
»Es war schlimm. Es hat uns zerrissen. Das… das war kein Mensch, Mister. Das ist ein Monster gewesen…«
Ich enthielt mich einer Antwort, denn so unrecht hatte der Verletzte mit dieser Bemerkung nicht. Auch ich sah Tim längst mit anderen Augen an.
Für mich war er ein Veränderter, jemand, der durch Schwarze Magie beeinflusst worden war und der etwas von den Steinen - Stonehenge erzählt hatte. Stammte er tatsächlich von dort? Ein Mann im weißen Kittel und einer Tasche am Arm stürmte in den Wagen. Zwei Sanitäter folgten ihm. Der Arzt kannte mich. Er stellte die Frage mit den Augen.
Während er sich um die Verletzten kümmerte und Erste Hilfe leistete, berichtete ich von den Verbrennungen.
»Einfach so, Mr. Sinclair?« Die Skepsis in seiner Stimme war ebenso verständlich wie der Blick. Ich hob die Schultern. Er strich das dunkle Haar aus der Stirn, bevor er dem letzten jungen Mann eine Spritze gab.
»Ich will ja nichts heraufbeschwören, aber ich kenne Sie.«
»Klar, dann erübrigen sich ja gewisse Fragen.«
»Natürlich.«
»Wenn noch etwas ist, Sie wissen, wo Sie mich finden können. Ich habe heute eigentlich Bürodienst.«
»Viel Spaß, Sinclair. Und geben Sie acht, dass Sie sich nicht verbrennen.«
»Keine Sorge, ich trage etwas zum Löschen bei mir.« Sehr überzeugt hatte meine Antwort auch nicht geklungen…
***
Seit einigen Tagen wusste Helen Conrad, dass mit ihrem Mann Frank etwas nicht stimmte. Er war ruhiger geworden, eigentlich noch stiller als sonst und hatte sich stärker in seine Arbeit vertieft.
Das hätte seine Frau Helen geärgert, nicht beunruhigt. Der Ausdruck in den Augen ihres Gatten hatte diese Beunruhigung in ihr hochsteigen lassen.
Frank sah ängstlich aus. Nicht mehr der große Wille im Blick, mehr die Angst. Wenn er sich unbeobachtet fühlte, dann war es ihr vorgekommen, als hätte er leise geweint.
Helen Conrad wusste, dass sie einen Wissenschaftler geheiratet hatte.
Seit, fünfzehn Jahren waren sie ein Paar, und sie war auch davon ausgegangen, dass sie ihre Ehe mit einer zweiten Frau, der Wissenschaft, wie sie immer sagte, teilen musste.
Zum Glück forschte er im Inland. Die alten Kelten hatten es ihm angetan.
Er
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