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065 - Der Geisterreiter

065 - Der Geisterreiter

Titel: 065 - Der Geisterreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hivar Kelasker
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nur noch ein Bündel Angst. Ich fühlte ein Schaudern, das mich so direkt und ausweglos erfüllte, als käme es aus einer anderen Welt. In jedem von uns steckt wohl die Furcht vor irgendwelchen archetypischen Geistern aus der Vergangenheit. Jetzt wurden wir mit ihnen konfrontiert, und das Entsetzen ließ uns das Blut gefrieren. Ich hatte das Gefühl, wahnsinnig zu werden.
    Nicht so Jürgen. Ihn schien lediglich die Wut gepackt zu haben. Der Motor des kleinen Wagens heulte auf. Jürgen fuhr auf die Stelle los, an der wir die beiden gesehen hatten. Wenden wäre hier ohnehin kaum möglich gewesen.
    „Nein! Nicht!“ schrie ich.
    „Sei ruhig!“ brüllte Jürgen grob. Er gab Gas. Der Wagen raste auf die beiden Gestalten zu, die zwischen den Tannenstämmen standen und uns entgegensahen. Sie waren geblendet. Als wir nahe genug waren, griffen sie zu ihren Schwertern. Wir sahen alles ganz deutlich, mit einer Art ungewohnter Klarheit, wie sie auch Betrunkene zuweilen haben. Dann waren wir vorbei.
    Als der Weg in die breite Bundesstraße überging, wurden wir ruhiger. Die Gefahr lag hinter uns, weit draußen im Teufelsmoor, jenseits des Flüßchens. Als wir vor der Polizeistation hielten, hatte der Regen fast völlig aufgehört. Nur im Norden wetterleuchtete es noch.
     

     

Tief in dem Gebüsch verborgen, hatten die beiden Hunnen den pferdelosen Kampfwagen herankommen sehen. Er hatte vier riesige, grellweiße Augen an seiner Vorderseite, in deren Licht sie nicht blicken konnten, ohne vollständig geblendet zu werden. Mit schrecklichen Geräuschen war er näher und näher gekommen, jedoch ohne das Mahlen eisenbeschlagener Räder, das sie von ihren eigenen Wagen kannten.
    „Ein furchtbarer Wagen!“ hatte Sheng gesagt und den Kopf zwischen die Schultern gezogen. „Er kommt aus der Richtung des Lagers, das wir eben verlassen haben.“
    „Dann wissen sie auch, was mit ihren Freunden geschehen ist“, hatte Fürst Torras mit finster zusammengezogenen Brauen erwidert. Noch einmal waren die Gedanken des Herrschers von Nyrmada zu den verhaßten Grabräubern gewandert und zu dem Augenblick, in dem er zu neuem Leben erwacht war …
    Fürst Torras von Nyrmada öffnete langsam die Augen. Sein Blick wanderte durch den fremden, dunklen Raum, der nur notdürftig von einem rötlichen Lichtschein, der von draußen kam, erhellt wurde. Er erreichte die Tische, auf denen eine Menge Waffen ausgebreitet waren – seine Waffen. Dort lagen Schilde, Speere und Dolche, die man ihm in das Lager des langen Schlafes mitgegeben hatte und sein Bogen, der schnellste und treffsicherste seines ganzen Volkes. Die Waffen waren vom Rost zerfressen und vermodert.
    Torras lag gefangen in einer Jurte. Durch die offene Tür konnte er die Grabschänder erkennen, die ihn besiegt hatten. Jetzt rüsteten seine Feinde zu einer Feier.
    „Euch soll die Lust zum Feiern vergehen“, schwor sich der Hunnenfürst grimmig. Er bewegte vorsichtig den Kopf, besaß jedoch noch nicht so viel Energie, um sich von seinem Lager zu erheben. In seinen Knochen spürte er das nahende Gewitter.
    Es war das richtige Wetter, um seine Herrschaft wieder anzutreten, und es waren die Nächte, in denen in seinem Volk seltsame Dinge geschahen. Wenn der lange Sommer in die Zeiten des Schnees überging und die Sterne günstig standen, dann wirkte der magische Zauber. Er brauchte nur auf den Sturm zu warten, der aus einer bestimmten Richtung kommen mußte und auf den säftespendenden Regen. Sein langer Schlaf war jetzt zu Ende.
    Torras von Nyrmada wandte den Kopf in eine andere Richtung. Morsches Gewebe, einstmals mit feinster Salbe und bestimmten Harzen getränkt, riß und fiel zu Boden. Seine Freunde hatten ihn und Sheng damit umwunden, damals, als sie auf dem Schlachtfeld gefallen waren.
    Der Hunnenfürst sah zu seinen Feinden hinaus, deren kleine Häuser in den prächtigsten Farben des Krieges leuchteten und erhellt waren. Zwischen ihnen loderte ein kräftiges Feuer.
    Unbändiger Haß flammte in Torras auf. Sein Blick wanderte zu den Waffen zurück, heftete sich mit magischer Gewalt darauf. Er fühlte deutlich, die Stunde war gekommen, in der er allein durch die Kraft seiner Augen die längst verrotteten Kriegsgeräte in neue, glänzende, scharfe Waffen verwandeln konnte. Er würde mit diesen Waffen kämpfen, bis er wieder der Alleinherrscher seines Volkes war. Wer heute noch auf seinem Thron saß, würde vor ihm zittern müssen. Und Sheng, der breitschultrige Kriegshauptmann, einer der

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