0650 - Bestien in New York
Sie sagen, wenn ich das Messer aus Ihrer Hand hervorziehe?«
»Ich würde es Ihnen nicht raten!«, keuchte er.
»Warum nicht?«
»Es kann gefährlich sein. Verdammt gefährlich, Sinclair. Ich garantiere für nichts.«
»Aber Sie können doch nicht hier ewig sitzen bleiben und auf das Messer starren.«
»Ich muss es.«
»Machen Sie das immer?«
»Nur wenn der Mond scheint. Es dient meiner eigenen Sicherheit, Sinclair.«
»Okay, Cushman, das akzeptiere ich. Aber weshalb riefen Sie mich an? Was wollten Sie von mir? Warum haben Sie sich mit mir in Verbindung gesetzt? Was sollte ich tun?«
»Sie sollten kommen und sich das ansehen.«
»Okay, jetzt sind wir da. Wir sehen Sie. Nur kann ich mir ihr Verhalten nicht erklären.«
Er überlegte eine Weile, bevor er sagte: »Ich werde Ihnen die Erklärung gleich liefern.«
»Bitte.«
Er atmete durch die breiten Löcher seiner Nase und schnaufte dabei. »Machen Sie es, Sinclair! Ziehen Sie mir dieses verdammte Messer aus der Hand.«
»Warum sollte ich? Sie haben es sich hineingerammt. Sie sollten es auch wieder…«
»Tun Sie es schon, verdammt.«
Ich schaute zu Suko hin, der die Schultern hob. Ihm war es im Prinzip egal.
Dann nickte ich Cushman zu. »Wenn Sie meinen, werde ich Ihnen den Gefallen tun.« Als ich meine Hand um den Griff gelegt hatte, nickte er und sagte: »Ja, Sinclair, das ist ein Gefallen. Sie glauben gar nicht, welch einen Gefallen Sie mir damit tun.«
Für mich sprach der Mann in Rätseln. Bisher konnte ich hinter seinen Worten nichts entdecken. Er war meiner Ansicht nach ein Masochist, allerdings kein Wichtigtuer, denn so einfach rammte man sich kein Messer durch die Hand.
Cushman drehte den Kopf. Sein weißes Hemd klebte durch die Schweißflecken auf seiner Haut. Auf dem hellen Stoff zeichneten sich noch einige Blutspritzer ab.
»Jetzt!«, keuchte er.
Es fiel mir nicht leicht, aber immerhin leichter als der umgekehrte Vorgang.
Mit einem heftigen Ruck zerrte ich die Klinge aus seiner Hand. Gleichzeitig sprudelte Blut hervor, was ihn allerdings nicht weiter störte, denn aus seinem Mund drang ein langes Seufzen und er schien mir sehr erleichtert zu sein.
Langsam sank sein Oberkörper zurück, bis er die Rückenlehne erreicht hatte. So blieb er sitzen.
Seine Hand war mit der Fläche über den Schreibtisch hinweg nach vorn gerutscht, lag aber noch auf der Kante. Wenn mich nicht alles täuschte, befanden sich mehrere Wunden auf den Rücken. Cushman hatte sich wohl nicht zum ersten Mal auf seine Schreibtischplatte festgenagelt.
»Und jetzt?«, fragte ich.
Er starrte mich an. »Sie - Sie haben es getan!«, flüsterte er. »Sie haben es getan - danke.«
»Es hat mich Überwindung gekostet, aber den Sinn dahinter sehe ich noch nicht.«
»Das werden Sie schon bald merken«, flüsterte er. Cushman schaute an mir vorbei. Er hatte sich so gedreht, dass sein Blick auf das Fenster fallen konnte. Durch die Scheibe konnte er schräg in die Höhe schauen und auch zum Himmel hin, wo das Auge des Mondes stand.
Suko hatte die Tür geschlossen und stand neben mir. Seine Stirn war gerunzelt. Ich kannte ihn.
Wenn er so aussah, kam er ebenfalls nicht klar. Sein Kopfschütteln machte es mir deutlich.
»Wie geht es weiter, Cushman?«, wollte er wissen. »Sollen wir hier die Nacht über stehen bleiben?«
»Geben Sie mir was zu trinken.«
»Wo…?«
Mit der gesunden Hand deutete er auf einen Spind hinter uns an der Wand. »Da ist Wasser.«
Suko öffnete die Tür. Mehrere Flaschen mit Mineralwasser standen dort und auch die entsprechenden Gläser. Suko schenkte ein Glas voll, das Cushman mit zitternder Hand entgegennahm. Er trank in langen Schlucken, den Blick starr über den Glasrand hinweggerichtet.
Mit ihm stimmte einiges nicht. Wir waren auch nicht gekommen, um einfach nur bei ihm zu bleiben. Es musste irgendwie weitergehen, da gab es keine andere Möglichkeit.
Cushman stellte das leere Glas weg. Die Flüssigkeit trieb ihm noch mehr Schweiß aus den Poren, der sein Gesicht in eine glänzende Fläche verwandelte.
»Wir haben unsere Zeit nicht gestohlen!«, sagte Suko.
»Das weiß ich. Ich will Sie auch nur bitten, noch zehn Minuten bei mir zu bleiben.«
»Das soll reichen?«
»Ja, Mister, es reicht, glauben Sie mir. Es wird reichen, das kann ich Ihnen versprechen.«
»Was passiert dann?«
»Fragen Sie nicht, Sinclair. Seien Sie froh, dass ich mich überwunden habe, Ihnen Bescheid zu geben. Das hätte nicht jeder in meiner Lage getan. Ich habe
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