0654 - Das Mondgehirn denkt anders
mich von Kopf bis Fuß spalten.
Ich sprang zur Seite, riß dabei meinen Paralysator aus dem linken Gürtelhalfter und schoß.
Der Zwerg grinste. Plötzlich nahm sein Gesicht die Züge des Tibeters an. „Mir kannst du nichts anhaben, Marszwerg!" dröhnte die tiefe, unendlich phlegmatische Stimme Rorvics in meinen Ohren. „Du kleiner, schwatzhafter Träumer meinst wohl, du könntest ein Gebilde wie Nathan durch deine ungereimten Gesänge verdummen! Besinne dich endlich auf deinen Auftrag!"
„Hast du das gehört, Nathan?" fragte ich. „Das war Dalaimoc Rorvic. Er hat diesen Zwerg zu mir geschickt, um mich zu erschrecken und zu demütigen."
„Dalaimoc Rorvic...!" sagte Nathan, und es klang trotz der metallisch klirrenden Stimme nachdenklich. „Nein, ich sehe nichts und höre nichts von ihm oder einem Zwerg. Aber ich kann mir denken, daß Dalaimoc Rorvic mit seinen parapsychischen Kräften eine immaterielle Projektion zu dir schickte. Der Tibeter ist ein Mensch mit seltsamen Fähigkeiten."
„Er ist gar kein richtiger Mensch", erwiderte ich, „sondern der Nachkomme eines Cynos, dem es mit Hilfe einer terranischen Frau gelang, die menschliche Spiegelfeldprojektion seines Sohnes zu stabilisieren. Allerdings bricht bei Rorvic manchmal die Urgestalt seines Vaters durch, dann verwandelt er sich in einen Drachen."
Der blauhäutige Zwerg lachte schrill, dann verschwand er.
„Das erklärt natürlich manches", meinte Nathan. „Wenn Dalaimoc Rorvic ein halber Cyno ist, dann verstehe ich manche seiner Handlungen besser als vorher."
Ich wischte mir mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn, seufzte und sagte: „Dann wirst du auch verstehen, daß es eine Strafe für mich ist, mit diesem Scheusal zusammenarbeiten zu müssen."
„Ich finde dich sympathisch, Tatcher", sagte Nathan, „Wenn ich dir damit helfen kann, dann will ich dafür sorgen, daß Dalaimoc Rorvic getötet wird, sobald ich ihn aufgespürt habe."
„Nein!" rief ich. „Wie kannst du so etwas sagen, Nathan! Ich liebe Rorvic!"
„Das begreife ich nicht", erwiderte die Inpotronik. „Eben sprachst du von ihm, als haßtest du ihn."
„Wir hassen uns gegenseitig, aber wir lieben uns auch", erklärte ich erschöpft. „Ich werde nicht zulassen, daß du ihn tötest."
Nathan schwieg fast eine Minute lang, dann sagte er: „Ich denke, ich verstehe ein wenig, was du vorhin mit der Behauptung meintest, alles vernunftbegabte Leben im Universum sei zweckgebunden. Ich werde darüber nachdenken, Tatcher, und mich wieder mit dir in Verbindung setzen. Du bleibst doch noch etwas in mir?"
Ich nickte.
„Wenn du es wünschst, gern, Nathan."
„Dann bis später, Tatcher", sagte die Inpotronik.
Erst einige Minuten nach Beendigung unseres Gesprächs wurde mir klar, daß Nathan sich völlig irregulär verhalten hatte.
Die Inpotronik hatte weder nach meiner Legitimation, mich in seinem Innern aufzuhalten, gefragt, noch mich aufgefordert, sie schnellstens zu verlassen. Statt dessen war ich praktisch gebeten worden, mich weiter in ihr aufzuhalten.
Das war nicht nur erstaunlich, es zeugte auch davon, in welch hohem Maße sich Nathan bereits von seiner Programmierung gelöst hatte.
Ich begriff, daß sich Atlan und die Mitglieder seiner Einsatzgruppe in höchster Gefahr befanden.
6.
Captain Elaine Dumas winkelte den Arm an und blickte auf ihren Chronographen.
Ihr nächster Blick galt den Männern in den schweren Kampfanzügen, die neben ihren Flugpanzern standen und erwartungsvoll zu ihr sahen. Die kleine, aber vorzüglich ausgebildete und ausgerüstete Truppe stand unter ihrem Kommando und sollte zur festgelegten Zeit in die Lagerhallen vorstoßen, in denen die restlichen 1237 Speicherroboter auf ihren Abtransport warteten.
Dieser Abtransport konnte wegen der überall in den Außensektionen Nathans stationierten larischen Kommandos nicht auf die normale Art und Weise erfolgen. Zwar ahnten die Laren noch nichts von der Existenz jener Speicherroboter, aber sie würden bestimmt schnell dahinterkommen, sobald die Roboter vom Mond abtransportiert würden.
„Noch sechs Minuten", sagte Elaine mit leicht belegter Stimme.
Sie mußte immerzu daran denken, daß wahrscheinlich einige der Männer, die unter ihrem Befehl standen, die zu erwartenden Kämpfe nicht überleben würden, und da sie eine Frau war, belastete sie das stark.
Die Männer stiegen in ihre Flugpanzer, und auch Elaine Dumas begab sich in ihr Fahrzeug, den Führungspanzer mit dem starken
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