Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0657 - Der letzte Henker

0657 - Der letzte Henker

Titel: 0657 - Der letzte Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
Vom Netzwerk:
einige Frauen, auch ein paar Kinder. Sie trugen Kleidung, wie sie in Spanien Mode war - gewesen war, vor einigen Jahren, um es genau zu sagen. Durch meine längere Anwesenheit am Hofe des Sonnenkönigs wußte ich, wie rasch die Mode zu wechseln pflegte; ich hatte gelernt, selbst Kleinigkeiten zu unterscheiden. Das sei wichtig, hatte der vierzehnte Louis mir einmal zugeraunt, um wirklich bedeutende Leute von den unwichtigen zu trennen. Wer etwas auf sich hielt, wer wichtig war, der achtete darauf, stets korrekt gekleidet zu sein und keinesfalls die abgetragenen Sachen aus der vergangenen Jahreszeit oder gar dem vergangenen Jahr zu tragen. Wichtige Leute konnten es sich leisten, sich stets neues Tuch vom Modernsten und Feinsten auf den Wanst schneidern zu lassen.
    In Spanien hielt man es sicher recht ähnlich.
    Hier, auf dieser Seite des Ozeans, mochte es ein wenig anders sein; bis Kunde von neuen Schnitten und Farben kam, dauerte es eine Weile. Ich war aber schon einige Jahre in dieser neuen Welt, fünf Sommer bestimmt schon, und das, was diese Männer und Frauen trugen, war schon zu meiner Zeit in Frankreich, Spanien und Holland veraltet gewesen.
    Den Indianern begegneten diese Menschen recht reserviert. Ich bemerkte, daß einige der Frauen zusammenzuckten, wenn der Blick eines Calusa sie streifte, und die Kinder liefen weg. Einem der Männer zuckte es regelrecht in der Hand, die er um den Griff eines Dolches schloß. Die Rothäute mußten das bemerken, aber sie reagierten nicht auf die Ablehnung, die ihnen entgegenschlug. Sie gaben sich, als wären sie im Innern dieser befestigten Ansiedlung zu Hause.
    Ich sah nur wenige Soldaten. Wenn ich mir überlegte, daß ein Teil in den Quartieren schlief, müde von der Nachtwache, und einige sicher auf Patrouille aus waren, mußte ich feststellen, daß dieses Häuflein von Männern in Harnisch und Helm kaum in der Lage war, die Ansiedlung wirklich ernsthaft gegen einen Überfall der Eingeborenen zu verteidigen.
    Das war nicht minder erstaunlich als die Anwesenheit der Calusa, die ich viel weiter im Westen wähnte. Sie waren keine Nomaden, die von einem Ort zum anderen zogen und dabei große Entfernungen zurücklegten; sie waren eher seßhaft.
    Deshalb konnte ihr Ausbreitungsgebiet doch nicht so groß sein, wie ich es hier erlebte. Aber ich verstand auch genug von ihrer Sprache, um sofort zu merken, daß es sich um das gleiche Völkchen handelte wie das weit von hier, mit dem wir es schon einmal zu tun bekommen hatten. Andere Indianer - und nicht nur die, sondern auch in der alten Welt die Friesen an der Wasserkante und Ihrem Hinterland, pflegten von Dorf zu Dorf veränderte Dialekte, und ich hatte es bei den Friesen erlebt, daß sich die Bewohner zweier benachbarter Dörfer verprügelten, weil die einen die Sprache der anderen nicht verstanden…
    Etwa hundert Meter weiter gab es einen kleinen Tumult. Ich sah Helme blitzen. Eine Frau schrie, Männer fluchten. Aber ich konnte nicht erkennen, worum es ging; plötzlich waren zu viele Indianer zwischen mir und dem Tumult, der rasch wieder endete.
    Die Häuser innerhalb des palisadenzaungekrönten Erdwalls waren recht klein gehalten und größtenteils aus Holz, aber es gab auch einige Gebäude, die aus getrockneten Lehmziegeln errichtet worden waren. Auf eines dieser Bauwerke führten meine Bewacher mich zu.
    Im Innern war es bemerkenswert kühl und sauber, aber auch recht düster. Die Fenster waren mit dünnen, weißen Leinentüchern verhängt. Die ließen nicht sehr viel Licht durch, aber immerhin zirkulierte Frischluft durch die Fasern, und die Insekten blieben draußen.
    Hinter einem wuchtigen Schreibtisch, der mit Schnitzereien verziert war, saß ein prunkvoll gekleideter Mann mit dunklen, kurzgeschnittenen Haaren. Seine Kleidung hinkte der Mode ganz bestimmt nicht hinterher; das sah ich auf den ersten Blick.
    Hinter ihm stand Frans - Nein!
    Ich hatte mich täuschen lassen. Es war ein Mann, der Frans Krohns Kleidung angelegt hatte! Erst auf den zweiten Blick erkannte ich, daß es ein Calusa war. Seine Haut war indessen blasser als die der anderen Indianer, und sie war enorm runzlig.
    Ich hatte nie für möglich gehalten, daß ein menschliches Gesicht dermaßen viele Falten aufweisen konnte. Stechende Augen musterten mich. Der dünnlippige Mund war ständig leicht geöffnet und zeigte unregelmäßige Zähne. Einige davon waren spitz zugefeilt. Es war das Gebiß eines Menschenfressers.
    Aber da war noch etwas, das ich im ersten

Weitere Kostenlose Bücher