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0657 - Der letzte Henker

0657 - Der letzte Henker

Titel: 0657 - Der letzte Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Euch!«
    Er schüttelte langsam den Kopf. »Mein Bester«, sagte er, und ich wollte ihm schon an die Kehle gehen, weil er es beinahe wie »mein Bastard« aussprach, »Ihr führt ein wirklich loses Maul. Darf ich Euch daran erinnern, daß ich hier kommandiere! Ihr seid nur mein Gast, und auch das nur, weil Ma-Chona Euer Fürsprecher ist. Sonst säßet Ihr noch im Kerker. Also haltet Eure vorlaute Zunge ein wenig im Zaum, wollt Ihr?«
    »Es ist mir egal, wie Ihr Eure Rolle in diesem Possenspiel seht«, erwiderte ich kalt. »Aber Diebstahl bleibt Diebstahl, und Mord bleibt Mord.« Ich hatte nicht vor, zu kuschen.
    Vielleicht überspannte ich den Bogen, und er ließ mich umbringen. Deshalb begann ich insgeheim damit, mich auf den Weg nach Avalon vorzubereiten. Denk an die Formel. Denk an den Schlüssel.
    Vielleicht beeindruckte ich diesen großkotzigen Gecken aber auch mit meinem Auftreten. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß jemals ein anderer in diesem Ton zu ihm gesprochen hatte - außer vielleicht seinem Vater.
    »Mord ist Unrecht«, sagte Don Manfrede. Er beugte sich leicht vor, verschränkte die wurstförmigen Finger seiner Pranken ineinander. »Aber Euer Diener starb rechtens. Er wurde verurteilt und hingerichtet, wie das Gesetz es vorschreibt.«
    Ich war fassungslos. »Gesetz? Verurteilt?« stieß ich hervor. »Wessen wurde er angeklagt? Was sollte er wohl verbrochen haben? Wie lautet die Anklage? Wo ist der Kläger, wo der Verteidiger? Wo der Richter? Zeigt sie mir, zeigt mir alles, ehe Ihr die Worte ›Gesetz‹ und ›Recht‹ mit Eurem Geschwätz besudelt!«
    »Narr!« fuhr Don Manfrede mich an. »Was faselt Ihr da? Was glaubt Ihr, wer Ihr seid und wo Ihr Euch befindet? Nur der Gnade Ma-Chonas verdankt Ihr es, daß ich Euch nicht auch hinrichten werde! Er will, daß ich Euch verschone. So soll es sein. Aber…«
    »Warum?« brüllte ich zurück. Ich wollte vorwärts stürmen, aber wieder hielten mich die Hellebarden zurück. »Was fällt Euch ein? Ihr sollt Euch rechtfertigen für dieses erbärmliche Mörderspiel!«
    »Nicht Mörder«, sagte er. »Richter und Henker. Das ist es. Ich bin der Göttliche, der hier regiert. Mein Wille ist Gesetz. Ihr seid schuldig, dieses Land betreten zu haben, das Euch nicht gehört. Es gehört den Calusa. Ihr habt sie nicht gefragt, ob Ihr es betreten dürft. Darauf steht der Tod. Ich bin der Ankläger. Ich bin der Richter. Ich bin der Henker. Dem Henker steht es zu, die Habe des Gehenkten in seinen Besitz zu nehmen. Ich nahm die Kleidung des Gerichteten und schenkte sie Ma-Chona. So trägt er sie rechtmäßig; was Ihr dazu zu faseln habt, interessiert niemanden, ist nur dummes Geschwätz. Aber bedankt Euch bei Ma-Chona, daß wenigstens Ihr weiterleben dürft. Aber nicht hier, nicht auf diesem Land. Ihr werdet verschwinden und zwar noch heutigen Tages. Aber ich will Euch meine Gastfreundschaft erweisen. Ihr erhaltet Speis und Trank, soviel Ihr wollt, und Ihr seht auch aus, als seid Ihr wochenlang in der Wildnis gewesen, ohne eine Frau nehmen zu können. Nun, hier könnt Ihr es. Ich biete sie Euch an.« Er hob die Hand. Eine Tür wurde aufgerissen. Zwei behelmte Spanier zerrten eine junge Frau in den Raum. Ihre Kleider waren zerfetzt, eine Schramme zog sich über ihr Gesicht.
    Sie wehrte sich, schlug und trat um sich. Die beiden Soldaten schleiften die Frau auf mich zu, fetzten ihr die restlichen Sachen vom Leib und warfen sie mir vor die Füße. Ich erkannte ihre Stimme. Ich hatte sie bei dem Tumult gehört, als ich hergebracht wurde.
    »Ihr könnt sie nehmen«, gewährte Don Manfrede huldvoll. »Wenn Ihr wollt, gleich hier und jetzt. Oder wollt Ihr erst speisen?« So viel Zynismus und Menschenverachtung war mir noch in keinem meiner bisherigen Leben untergekommen.
    Schon während seiner langen Rede war mir der Kamm geschwollen. Jetzt erreichte meine heiße Wut ihren unbezähmbaren Höhepunkt.
    »Wenn ich dich ein von Gott verfluchtes, dreckiges Schwein nennen würde, Manfrede Accosto«, sagte ich zornig, »würde ich damit alle Schweine dieser Welt zutiefst beleidigen! Du größenwahnsinniger Lumpenhund…« Ich stieß die Hellebarden beiseite und warf mich auf ihn. Der große Tisch, hinter dem er saß, war kein Hindernis. Aber ich erreichte Accosto nicht. Ma-Chona, der Calusa, hob die Hand.
    Ich glaubte, etwas aufblitzen zu sehen. Und dann sah ich nichts mehr.
    ***
    Ich erwachte auf einem Strohlager in einer kleinen Holzhütte. Es war stickig heiß, die Fliegen und

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