0658 - Flug in die Dunkelwolke
mochte, endgültig geschwunden. Seit zwei Stunden bewegte sich die MARCO POLO durch eine Welt voll Finsternis, die keine Konturen hatte und weder Weg noch Steg erkennen ließ. Dunkel allerdings war es nicht draußen. Wie zuvor das Firmament über der Welt der Schwarzen Manta, so flackerten jetzt die Schutzschirme des Flaggschiffs, manchmal bis über die Grenze ihrer Kapazität hinaus belastet, von den rätselhaften Energieströmen und den mahlenden, kreiselnden Staubmassen der Wolke.
Vor knapp dreißig Minuten war einer der Feldschirmgeneratoren ausgefallen: wegen Überlastung durchgebrannt. Ein Bataillon von Werkrobotern war damit beschäftigt, eine neue Maschine zu installieren, die die Funktion der beschädigten übernehmen konnte. Aber mittlerweile ließ sich die weitere Entwicklung vorhersehen: ein Generator nach dem anderen würde ausfallen, und schließlich würden die Roboter nicht mehr nachkommen. Der Verlust der Schutzschirme aber bedeutete für die MARCO POLO den sofortigen Untergang. Ihre Wandung aus molekularverdichtetem Stahl würde dem Aufprall der tödlichen Energien noch nicht einmal eine Sekunde lang standhalten.
Atlan, Roctin-Par, Mart Hung-Chuin und Perry Rhodan hatten einen Krisenstab gebildet. Der Provconer bezweifelte, daß selbst sein SVE-Raumschiff, das geschrumpft in einem der Beiboot-Hangars der MARCO POLO ruhte, dem Toben der Dunkelwolkenstaubmassen gewachsen sei. Überdies bot es Raum für höchstens ein Zehntel der Besatzung des Flaggschiffs, und Perry Rhodan war nicht gewillt, neunzig Prozent seiner Leute der vagen Hoffnung zu opfern, daß die übrigen zehn Prozent mit einigermaßen heiler Haut davonkämen. Er hatte statt dessen einen anderen Plan entworfen. In dem Augenblick, in dem feststand, daß die Feldschirme der MARCO POLO in Kürze endgültig zusammenbrechen würden, sollte das Raumschiff in den Linearraum eindringen. Im Bereich der Dunkelwolke war zwar auch der Linearraum von feindseligen, unberechenbaren Kräften erfüllt. Aber Rhodan rechnete sich aus, daß er diesen Versuch, wie gefährlich er auch immer sein mochte, in dem Augenblick, in dem ohnehin alles verloren war, unbedingt unternehmen müsse.
Hung-Chuin war ein erbitterter Gegner dieses Plans.
„Das geht schief!" protestierte er. „Die energetischen Ströme im Linearraum sind womöglich noch kräftiger, noch unberechenbarer als die im Einstein-Kontinuum. Sie können nicht auf eine bloße Hoffnung hin ..."
„Sind Sie Ihrer Sache sicher?" unterbrach ihn Rhodan kalt.
„So sicher, wie jemand sein kann ...", versuchte Hung-Chuin zu antworten.
„Einhundert Prozent?" fuhr Rhodan ihm ein zweites Mal in die Parade. „Neunzig? Achtzig...?"
Der Wissenschaftler hob ärgerlich die Schultern.
„Neunzig, würde ich sagen", murmelte er.
„Gut. Nehmen Sie an, die Schutzschirme brechen zusammen.
Was geschieht dann?"
„Die MARCO POLO wird zu Atomen zerrieben."
„Sind Sie sicher?" erkundigte sich Rhodan ein zweites Mal.
Hung-Chuin musterte ihn überrascht.
„Natürlich bin ich sicher! Jedermann weiß..."
„Einhundert Prozent? Neunzig? Achtzig...?"
„Einhundert natürlich. Es ist doch klar..."
Er stieß es mit allem Nachdruck hervor, ohne zu merken, daß er blindlings in Rhodans Falle getappt war.
„Das macht", resümierte der Großadministrator, „absolute Todesgewißheit gegen eine zehnprozentige Überlebenschance.
Wie wählen Sie, Mart?"
Hung-Chuin war starr. Ärger schien sich in seiner Miene breitmachen zu wollen. Aber er wich rasch einem verlegenen Lächeln, „Sie haben natürlich recht, Sir", sagte der Wissenschaftler in versöhnlichem Tonfall. „Ich glaube, der Wunsch nach Gewißheit ging mit mir durch. Es ist klar, daß ..."
Es schien an diesem Tage sein Schicksal zu sein, daß er ständig unterbrochen wurde. Eine Lautsprecherstimme gellte auf: „Feldschirmgeneratoren AK-zwölf und dreizehn ausgefallen!
Robotgruppe zum Einbau von Ersatzgeneratoren in den Hauptmaschinenraum!"
Perry Rhodans Blick wurde starr. Er zögerte eine Sekunde, musterte das unruhige, gleißende Flackern der Schutzschirme und nahm das Interkom-Mikrophon zur Hand.
„Adler-eins an Hauptmaschinenraum. Wie sieht es aus?
Wie lange halten die übrigen Generatoren noch aus?"
„Schlecht, Sir!" antwortete eine keuchende Stimme, und auf dem Interkom-Bildschirm erschien das Bild eines schwitzenden Ingenieurs. „Sämtliche Geräte fahren seit wenigstens einer Viertelstunde auf einhundertzehn bis einhundertunddreißig
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