0659 - Die indische Rache
zurück. »Wo ist es?« fragte sie.
»Ich habe es eingesteckt.«
Helen erschrak. Durch die Bewegung schwappte Wasser über und rann außen am Glas entlang. Ich konnte mich endlich wieder bewegen, auch wenn ich ihr den Arm langsam entgegenstreckte. Die Tropfen hatten es in sich gehabt. Mein Kopf fühlte sich an, als wäre er mit Gummi gefüllt worden.
Nach dem Trinken wollte ich wissen, wie lange die Wirkung anhielt.
»Das kommt auf den Menschen an. Je nach dem, welche Konstitution er besitzt.«
»Ich hoffe, daß meine relativ gut ist. Würden Sie mir mal auf die Beine helfen?«
Sie mußte beide Hände zu Hilfe nehmen, um mich auf die Beine ziehen zu können.
Zitternd und schwankend stand ich da. Noch bewegte sich das Zimmer, ich mußte mich auch festhalten, aber ich würde es überstehen. »Holen Sie Ihren Mantel und packen Sie das Nötigste in einen Koffer.«
Helen zwinkerte überrascht. »Soll ich verreisen?«
»Es wäre am besten, würde aber nicht helfen. Nein, ich möchte Sie in Schutzhaft nehmen. Das heißt, Sie bleiben ständig in meiner Nähe. Wenn Sira erscheint, darf dieses Wesen Sie nicht wehrlos vorfinden. Außerdem müssen wir herausfinden, wo es einen Menschen gibt, der diese Schrift tatsächlich entziffern kann.«
Sie schlug gegen ihre Stirn. »Darum geht es also. Sie wissen nicht, was Sie dort zu lesen bekommen.«
»So ist es.«
Helen starrte auf ihre Schuhe. Sie waren schwarz und mit einer braunen Kappe versehen. »Eigentlich müßte ich weg!« flüsterte sie. »In der Redaktion wartet man auf mich.«
»Rufen Sie an. Sagen Sie den Leuten, daß Sie hinter einer Spur her sind. Aber versuchen Sie bitte nichts auf eigene Faust. Das wäre schlimm und könnte tödlich enden.«
»Vielleicht hätte ich es doch tun sollen.«
»Dazu ist es jetzt.«
»Sicher, John. Sie würden es freiwillig nicht mehr hergeben.«
Darauf gab ich keine Antwort. Sie hatte im Prinzip recht. Diesmal würde ich mich wehren. Außerdem war Helen bereits in ihrem Schlafzimmer verschwunden. Dort hörte ich sie reden und rumoren.
Ich mußte mich jetzt auf mich selbst konzentrieren und natürlich auf meine Schwäche, die ich unbedingt loswerden wollte. Mit zitternden Knien wollte ich nicht losziehen. Um gegen gewisse Feinde anzukämpfen, benötigte ich auch körperliche Kraft.
Die ersten Gehversuche klappten zwar, doch ein Lachen konnte ich trotzdem nicht vermeiden. Ich kam mir vor wie auf einem schwankenden Floß, zudem war mir noch übel geworden.
Ich drückte die Tür zur Küche auf und trank das Wasser direkt aus dem Hahn. Daß mein Gesicht dabei einige Spritzer abbekam, störte mich nicht im geringsten, war mir sogar angenehm.
»Wo sind Sie, John?«
Die Stimme der Reporterin schallte aus dem Wohnraum in die Küche. Meine Antwort klang schwach. Sie hatte sie trotzdem gehört und stand mit dem Koffer in der Tür. Es war mehr eine Tasche aus Segeltuch, die sie an den beiden Griffen hielt.
»Fertig?«
Helen nickte etwas wehmütig, wie mir schien. »Ja, ich bin fertig, aber ich frage mich, wie es weitergehen soll?«
Ich saß auf dem Küchentisch. Er war stabil genug und sah aus, als hätte Helen ihn vom Flohmarkt gekauft. Auf der Oberlippe hatte sich eine Schweißschicht gebildet. Mit dem Finger wischte ich sie weg, schaute die Reporterin an und erwiderte: »Sie müssen an meiner Seite bleiben, nicht von mir weichen.«
Helen hob die Schultern. »Ich hatte mir so was gedacht«, meinte sie.
»Schlimm?«
Jetzt lächelte sie. »Es läßt sich aushalten. Außerdem bin ich Ihnen noch etwas schuldig.« Auf der Schwelle drehte sie sich. »Sollen wir gehen?«
»Ja.«
»Mein Wagen…«
»Wir nehmen meinen. Lassen Sie den Ihrigen stehen. Wir fahren zunächst zum Yard.«
»Okay.«
Ich verließ vor ihr die Wohnung. Als Kavalier hätte ich natürlich ihre Tasche tragen müssen, dazu jedoch fühlte ich mich nicht in der Lage. Ich war einfach zu schwach.
Helen Dexter warf einen letzten Blick in ihr Wohnzimmer und schüttelte den Kopf. »Ich kann es noch immer nicht fassen, daß dort eine Maske gehangen haben soll.«
»Es war leider so.«
»Vielleicht treffen wir sie wieder.«
»Was zu wünschen wäre.«
Ich ging durch den Flur und konzentrierte mich dabei auf meine Bewegungen. Der Gang war noch immer nicht normal, ich schwankte leicht, aber ich hielt mich und wartete im Flur auf Helen.
Diese K.o.-Tropfen hatten mich zwar nicht auf die Bretter geschickt, sie waren trotzdem ein verdammt fieses Zeug gewesen und sorgten
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