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0659 - Die indische Rache

0659 - Die indische Rache

Titel: 0659 - Die indische Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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leisen Sohlen das abgedunkelte Zimmer betrat. Ein Rollo filterte das Herbstlicht der Sonne, die sehr tief stand und voll gegen das Fenster schien.
    Von Glenda war nur das Gesicht zu sehen und ein Teil der dunklen Haarpracht. Sie lag auf dem Rücken, war unendlich blaß, gleichzeitig zerbrechlich wie eine Porzellanpuppe, und mir schoß ein Stich durch die Brust.
    Die Tür hatte ich sehr leise wieder hinter mir zugezogen, ich wollte Glenda auf keinen Fall stören und näherte mich auf Zehenspitzen ihrem Bett. Daneben blieb ich stehen.
    Mein Gott, wie hilflos sie war. So erschöpft, so dünn, so blaß - beinahe wie tot.
    Es tat mir in der Seele weh, auf sie herabschauen zu müssen, aber ich konnte den Blick einfach nicht von ihr wenden. Ich mußte hinsehen und immer wieder in ihr blasses Gesicht schauen, in dem sich nichts regte. Über der Haut schien eine Schicht aus Eis zu liegen.
    Ich traute mich nicht, auf der Bettkante Platz zu nehmen. In Griffweite stand ein Stuhl, den zog ich heran und ließ mich nieder, den Blick nicht von ihr gewandt.
    Glenda war an Schläuche und Drähte angeschlossen. Sie wirkte auf mich wie ein künstlicher Mensch. Ich wußte, daß sich ihr Zustand nach der Operation nicht gebessert hatte, er war gleich geblieben, das wiederum empfand ich als nicht sehr hoffnungsfroh.
    Auch wenn der Arzt mich davor gewarnt hatte, irgend etwas zu tun, ich konnte einfach nicht anders und mußte mit den Fingerspitzen über die so dünn erscheinende Haut streicheln.
    Reagierte Glenda? Hatte sie etwas von der Berührung mitbekommen? Ich wartete darauf und flüsterte ihren Namen.
    Keine Reaktion.
    Ruhig, zu ruhig für meinen Geschmack blieb sie liegen. Beinahe wie eine Tote.
    Als mir dieser Vergleich in den Sinn kam, krampfte sich bei mir der Magen zusammen. Ich zog meine Hand wieder zurück und dachte über Siras Pläne nach.
    Die Geisterfrau wollte auf keinen Fall, daß ich das Palmenblatt auch weiterhin behielt. Dieses Beutestück gegen Glendas Leben, eine sehr simple Rechnung.
    Fragte sich nur, für wen sie aufging. Gab ich das Blatt ab, würde ich nie erfahren, ob es für Nadine Berger, die Vampirin, trotz allem noch eine Rettung gab.
    Behielt ich es, dann würde Glenda von Sira vernichtet werden.
    Das waren die beiden Möglichkeiten, die sie mir eröffnet hatte. Doch es gab noch eine dritte. Auf sie spekulierte ich. Ich wollte das Blatt behalten und dafür sorgen, daß auch Glenda am Leben blieb.
    Dazu mußte ich ihren Astralleib vernichten.
    Daß sie mir in gewissen Dingen über war, stand fest. Sie konnte durch Wände gehen, es gab für einen Geist keine festen Hindernisse, und sie schaffte es auch, sich mit Waffen zu versorgen, wie ich von der Schwester wußte.
    Mit einem Messer war sie bewaffnet gewesen. Human Lohare hatte sie mit einem anderen Instrument getötet, einer Scheibe, die ähnlich geworfen werden konnte wie ein Wurfstern.
    Ich konnte ihr wenig entgegensetzen. Über eine geweihte Silberkugel würde sie nur lachen. An den Dolch brauchte ich nicht erst zu denken, es blieb allein das Kreuz mit der Heiligen Silbe AUM. Sie hatte ich schon einmal gegen Sira eingesetzt.
    Aber hier war nicht Indien, nicht Bangalore, nicht die Palmblatt-Bibliothek.
    Ich wollte mich wieder erheben, als ich sah, wie Glendas Augenlider anfingen zu zucken.
    Erwachte sie?
    Gespannt blieb ich hocken, meinen Blick auf ihr Gesicht konzentriert, das noch immer sehr blaß erschien. Nur die Augen bewegten sich noch.
    Dann schaute sie mich an.
    »Glenda!« Ich stieß ihren Namen aus, ich wollte sehen, ob ich eine Reaktion bekam.
    Sie blieb ruhig. Der Blick war nicht der alte. Er kam mir so glasig vor und wie nach innen gerichtet.
    Noch einmal sprach ich sie an.
    Und Glenda antwortete mit einer Frage. Zuvor hatte ich den Eindruck, als wäre sie aus einem tiefen, mit Nebel gefüllten Tal an die Oberfläche getaucht.
    »John…?«
    Meine Güte, sie hatte mich erkannt. - Sie hatte mich…
    Wieder sprach sie meinen Namen aus, und diesmal rastete etwas in meinem Kopf ein oder aus. So genau wußte ich das nicht, denn sie fügte noch ein leises Lachen hinzu.
    Nein, das war nicht ihre Stimme gewesen. Das war nicht so, das war einfach…
    Ich wollte es nicht fassen, aber ich konnte es auch nicht aus der Welt schaffen.
    Nicht Glenda Perkins hatte mich angesprochen, sondern eine fremde Stimme…
    ***
    Die folgenden Sekunden waren grausam. Sie glichen einer seelischen Folter, die ich am Bett sitzend erlebte. Diese Stimme, dieses geflüsterte

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