0664 - Der Vampir von Denver
Während die sich noch aufrappelten, nahm Nicole den Dhyarra aus der Tasche, aktivierte ihn mit einem kurzen Gedankenbefehl und brachte damit einen massiv aussehenden Stuhl zum Schweben, der im nächsten Moment gegen den Rücken eines anderen Kuttenträgers schlug. Der Mann stöhnte und ging zu Boden.
Hinter sich hörte Nicole, daß Jin Mei die Gelegenheit nutzte und zum Hinterausgang rannte. Die junge Frau hatte offensichtlich doch die Nerven behalten.
Einer der Angreifer schrie etwas auf Mandarin und wollte ihr folgen, aber die Dämonenjägerin packte ihn an der Kutte und zerrte ihn zurück.
Im gleichen Moment begriff sie, daß sie einen Fehler gemacht hatte. Sie hatte einen der Angreifer zwar unter Kontrolle, aber noch mindestens zwei im Rücken.
Das konnte fatal werden…
Mit einem schnellen Tritt in die Kniekehle brachte sie den Mann vor sich zu Fall und fuhr herum.
Das rettete ihr Leben.
Der Schlag mit einem Feuerhaken, der sonst ihren Hinterkopf getroffen hätte, streifte so nur ihre Schläfe.
Schlimm genug - Nicole ging benommen zu Boden. Sie versuchte, gegen den rasenden Kopfschmerz anzukämpfen -vergeblich. Sie verlor den Kampf und das Bewußtsein.
So sah sie nicht mehr, wie die vier Männer schwer atmend die Kapuzen abnahmen und sich den Schweiß von der Stirn wischten. Sie unterhielten sich kurz in ihrer Sprache, schienen über etwas zu streiten, dann gab einer von ihnen schließlich laut einen Befehl. Das beendete die Diskussion. Die Männer setzten ihre Kapuzen wieder auf. Zwei griffen nach Nicole und zogen sie aus dem Geschäft. Einer, dessen Leibesfülle selbst unter der Kutte zu erkennen war, blieb an der Tür stehen und schaltete das Licht aus. Er hängte das Geschlossen-Schild wieder ins Fenster und zog die Tür hinter sich zu. So konnte man von außen das Chaos nicht erkennen.
Das kleine Antiquitätengeschäft sah völlig friedlich aus.
***
Zamorra wußte, daß er im offenen Kampf gegen Mors keine Chance hatte. Dazu war er zu geschwächt. Als der Vampir sich auf ihn stürzte, warf er sich deshalb mit einem beherzten Sprung ins dichte Unterholz und robbte er ein paar Meter in den Wald hinein. Der Dämonenjäger nahm etwas Erde vom Boden auf und verrieb sie im Gesicht. Mors konnte zwar wesentlich besser im Dunkeln sehen, aber er hatte keinen Röntgenblick, der das dichte Unterholz durchdrang. Mit seiner erdverkrusteten Jeans und der dreckbedeckten Haut war der Dämonenjäger praktisch unsichtbar - hoffte er zumindest, denn sonst war sein Plan zum Scheitern verurteilt.
Er blieb atemlos liegen und lauschte in die Nacht. Es war still. Außer den Geräuschen des Waldes war nichts zu hören.
Wo war Mors?
Vorsichtig robbte Zamorra etwas weiter von der Lichtung weg, noch tiefer in den Wald hinein. Hier wurde das Unterholz so dicht, daß er selbst kriechend kaum noch hindurchkam. Der perfekte Platz, entschied er und bereitete seine Falle vor.
Im gleichen Moment schoß eine Hand von oben durch die Büsche und griff nach ihm!
Zamorra drehte sich zur Seite, und die langen Fingernägel glitten mit einem unangenehmen Geräusch an seiner Lederjacke ab.
»Kämpfen hatte ich gesagt, Sterblicher«, zischte die Stimme über ihm, »nicht Versteck spielen. Du enttäuschst mich wirklich.«
Die Klaue des Vampirs bohrte sich erneut durch das Unterholz, nur wenige Zentimeter von Zamorra entfernt. Der nutzte den Lärm und schob sich tiefer ins Gebüsch. Wahllos griff er nach einem längeren Ast und nahm sein Taschenmesser aus der Hosentasche.
Er konnte hören, wie der Vampir wütender wurde.
»Ich kann dich überall finden, Sterblicher«, schrie er durch den Wald, »und mit jeder Minute, die du mich auf den Kampf warten läßt, wird dein Tod schrecklicher.«
Ist ja gut, dachte Zamorra genervt, während er den Ast mit drei oder vier Schnitten der scharfen Klinge in eine Waffe verwandelte, du wirst deinen Kampf schon noch bekommen.
Er schob das Taschenmesser und den angespitzten Ast in seine Jackentasche und robbte in einem Halbkreis zurück zum Ausgangspunkt seiner Falle. Keine zwei Meter entfernt durchstöberte der Vampir die Büsche. Es war ein Wettlauf gegen die Zeit.
***
Mors war wütend. Er hatte sich einen anregenden Kampf erhofft, aber der Sterbliche schien nur Katz und Maus mit ihm spielen zu wollen. Dafür würde er büßen müssen.
Der Vampir schlug sich durch die Büsche und herabgefallenen Äste. Er wußte, daß der Dämonenjäger irgendwo hier sein mußte, denn er konnte seine
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