0665 - Vampirstadt Berlin
den Nebenstraßen hörte ich die Geräusche, wenn Stimmen schrieen und Molotow-Cocktails oder irgendwelche anderen Sprengkörper explodierten.
Ein Hubschrauber flog sehr tief über das Häusermeer hinweg. Aus dem an seinem Boden angebrachten Scheinwerfern stieß ein langer Strahl gegen die Dächer und auch hinein in die engen Straßenschluchten »Ostberlins«.
Über der Stadt lag eine Decke aus wolkigem Blei. So jedenfalls sah für mich der Himmel aus, an dem kein Stern funkelte, als scheuten sich selbst die Gestirne davor, das Elend und die Gewalt in den Straßen zu sehen.
Natürlich galt mein Sinnen und Trachten Nadine Berger. Ich hatte sie gesehen, und ich dachte auch daran, wie lange es hergewesen war, daß ich sie hatte so laufen sehen. Zuletzt hatte sie in einem Sarg gelegen. Regungslos, wie eine Tote.
Ich, ging über die Straße, bewegte meinen Kopf, wollte schauen, ob ich sie noch entdeckte.
Nein, sie war verschwunden.
Aus dem Mannschaftswagen schrie mich eine Stimme an, zu verschwinden. Ich ging hin, zeigte meinen Ausweis, und die deutschen Kollegen konnten sich nur wundern. Sie erklärten mir auch, daß sie keine Verantwortung für mich übernehmen wollten.
Nicht weit von ihnen entfernt war auch der zweite Einsatzwagen zu sehen.
Als er vorbeifuhr, hatte ich bereits das andere Ende der Straße erreicht.
Vom Alex her drang Lärm zu mir herüber. Das Schreien der Stimmen, dazwischen ein gewaltiges Rauchen, als hätten sich Tonnen von Wasser über den Platz ergossen.
So ähnlich mußte es auch sein, denn ich kannte die Geräusche eines Wasserwerfers genau.
Wo steckte Nadine?
Plötzlich fühlte ich mich so verflucht einsam. Ich stand wie vergessen im Licht der Reklamen. Die Geschäfte reihten sich hier aneinander. Über mir verklang das Knattern des Hubschraubers. Die Luft roch noch immer verbrannt. Sogar über einige Hausdächer hinweg trieben dichte, schwarze Wolken.
Ich bekam Lust darauf, eine Zigarette zu rauchen, ließ sie aber stecken, schritt an der Front der Schaufenster entlang, wovon einige Scheiben zerborsten waren.
Keine Spur von Nadine!
Es war zudem zu hell. Hier eignete sich nichts als Versteck für eine Vampirin, wie sie es war. Ich würde sie woanders suchen müssen, und zwar in den Seitenstraßen.
Dabei durchzuckte ein verrückter Gedanke mein Hirn. Vielleicht wartete Nadine Berger sogar auf mich. Daß sie mich gesehen hatte, stand außer Zweifel.
Sie und ich.
Mein Blut in ihrem Körper!
Wenn ich daran dachte, schlug mein Herz schneller. Es wäre für sie und vor allen Dingen auch für den hinter ihr stehenden und sie beschützenden Will Mallmann der größte Triumph, wenn sie es schafften, mich, ihren Erzfeind, in die Reihen der schwarzmagischen Wesen hineinzubekommen.
Das wäre einfach super.
Der Gedanke daran gefiel mir. Zu lange schon war ich hinter Nadine Berger hergelaufen, und es mußte allmählich zu einer Entscheidung kommen. Sonst hatte alles keinen Sinn mehr.
Ich erreichte zwar nicht das Ende der Straße, aber ich konnte in eine schmalere hineinschauen, eine Seitengasse gewissermaßen, die sich sehr lang hinzog.
An ihrem Ende wurde gekämpft, und die Straße selbst sah aus wie im Krieg.
Die Chaoten hatten das Pflaster zum Großteil aufgerissen, um die Steine als Wurfgeschosse benutzen zu können. Regelrechte Krater befanden sich in der Fahrbahn. Aufgewühlt, sehr tief. Zwei Polizeiwagen waren einfach umgekippt worden. Wie große, kompakte Leichen aus Blech lagen sie in den geschaffenen Kratern.
Überall roch es nach Gewalt und Tod…
Ich spürte einen widerlichen Geschmack im Mund. Die eigene Galle vermischte sich mit dem verdammten Rauch. Meine Blicke glitten an den Fronten der Häuser entlang.
Es waren noch alte Häuser. Mit nie weniger als vier Stockwerken. Aber sie hätten längst renoviert werden müssen. Bei einigen Bauten waren die Dach- und Ablaufrinnen einfach abgeknickt oder abgerissen worden. Es wuchs sogar Gras aus manchen Rinnen hervor.
Die Fenster in den unteren Etagen und in den Parterre-Wohnungen hatten am meisten mitbekommen. Viele von ihnen waren eingeworfen worden. Daß dort keine Randalierer lebten, darauf hatte keiner der Chaoten Rücksicht genommen.
Hinter den Fenstern sah ich die Bewegungen. Die Bewohner der Häuser trauten sich wieder vor.
Eine Frau schaute aus dem zerstörten Fenster und fing an zu weinen. Ihr Mann erschien und zerrte sie zurück. Als er mich sah, drohte er mir mit der Faust. Er hielt mich für einen der Chaoten.
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