0668 - Silva auf dem Höllenthron
fraß sich in seine Haut. Er dachte an eine heiße Pfeilspitze, die sich in seine Kehle hineinbohrte. Das war es jedoch nicht, Silva hatte ihre Drohung wahrgemacht, die Klinge leicht angedrückt und sie um einen Zentimeter zur Seite gezogen.
Eddy rechnete mit seinem Tod. Innerhalb einer Sekunde schossen ihm zahlreiche Bilder durch den Kopf, die er irgendwo mal gesehen hatte. Wo Menschen starben, wo sie einfach vom Leben hinein in den Tod gerissen wurden.
War so das Sterben?
Nein, so war es nicht. Er lebte, denn die Person neben und über ihm hatte nicht tiefer geschnitten.
Dafür spürte er, wie es aus der Wunde warm hervorrann.
Es war das Blut, das sich seinen Weg über die dünne Haut am Hals bahnte und als Rinnsal dem blütenweißen Kissen entgegenlief, wo der Fleck immer größer wurde.
Seine Lippen bewegten sich. Das Gesicht war in seiner Verzerrung erstarrt. Er wollte sprechen, es fiel ihm zu schwer. Nur ein gehauchtes »Bitte« drang über seine Lippen.
Silva hatte sich auf die Bettkante gesetzt. Sie schaute ihn an, sie schnitt nicht tiefer, sondern zog die Klinge zurück, von der noch ein dunkler Tropfen fiel und vor ihm auf der Decke landete. »So jämmerlich bist du, Eddy. So verdammt jämmerlich ist der große De Soto, der sich für einen King hält. Begreifst du das? Begreifst du nun, wie klein du tatsächlich bist?«
»I… ich…«
»Ja, du bist ein Wurm, den ich zertreten könnte«, erklärte sie, wobei sie die Klinge auf der Bettdecke reinigte. Ein roter Streifen blieb verschmiert zurück. Dann klappte sie das Messer zusammen und steckte es in eine Tasche ihres Ponchos.
»Was soll ich tun?«
»Nicht viel, Eddy. Du wirst dein Leben so führen wie immer. Du wirst morgen in die Disco gehen und dir ein Pflaster auf die Wunde kleben. Du wirst versuchen, noch einige Bekannte mitzubringen, denn ich möchte, daß ihr alle erscheint. Wir wollen auch unter uns sein, die Feiern und Parties waren immer die besten.«
»Ja… ja… mache ich.«
»Gut, Eddy.« Silva drückte sich mit einer schwungvollen Bewegung in die Höhe und schaute lächelnd auf ihn herab. »Glück hast du gehabt, Eddy, sehr großes Glück. Dazu kann man dir nur gratulieren, das steht fest. Ich hätte auch anders gekonnt.«
»Bitte, ich…«
»Hast du alles behalten, was ich dir sagte?«
»Ja, das habe ich.«
»Dann richte dich danach.« Sie drohte mit dem Finger, selbst diese Geste kam de Soto nicht lächerlich vor. Er schaute auf ihren Rücken, auf die unendlich langen Beine, die Männerträume zu wilden Phantasien hochputschten.
Eddy dachte nicht daran, sich zu erheben. Noch immer rann Blut aus der Wunde. Steif lag er im Bett und schaute zu, wie Silva wieder ihren Platz auf dem Sessel einnahm, der von ihr als Höllenthron bezeichnet worden war.
Lässig winkte sie ihm zu. »Vergiß nicht, was ich dir gesagt habe, Eddy. Vergiß es nicht.«
»Nein, ich…«
In seine Antwort hinein lachte sie. Es war ein widerliches, ein schrilles, ein schreckliches Gelächter, wie es kaum von einem Menschen zu hören war und bei dem die Hölle Pate gestanden haben könnte. Das Lachen hallte durch sein Zimmer, es war wie ein furchtbarer Drang, eine schreckliche Botschaft aus der Hölle, und als es verklang, da verschwand auch der Höllenthron zusammen mit Silva, als hätte es ihn nie zuvor gegeben.
Weg - vorbei…
Eddy lag im Bett, starrte dorthin, wo der Sessel noch vor kurzem gestanden hatte, sah aber nur seinen Fernsehapparat, auf dessen Mattscheibe sich wieder ein Bild zeigte. Da lief das normale Programm plötzlich weiter.
Über dieses Phänomen dachte er nicht nach. Was hinter ihm lag, war mehr als eine Vorhölle gewesen, und sein Andenken hatte er schließlich bekommen.
Wie es ihm gelungen war, sich aus dem Bett zu rollen, konnte er kaum nachvollziehen. Jedenfalls stand er mit zitternden Knien davor und mußte sich an einem Pfosten festhalten.
Er starrte ins Leere.
Fast eine Minute stand er da, ohne einen Gedanken fassen zu können. Seine Lippen zuckten, er schluckte, schaute mal gegen die Decke, dann wieder zu Boden und wurde durch den Schmerz am Hals wieder in die Realität zurückgeholt.
Mit den Schritten eines kleinen Kindes schleppte er sich in Richtung Bad.
Als er dort das Licht einschaltete, schmerzte die Helligkeit zunächst seinen Augen. Er wartete ab, bevor er an den breiten Spiegel herantrat und sich in der Fläche betrachtete.
Eddy de Soto war ein Zerrbild seiner selbst. So hatte er noch nie ausgesehen, jedenfalls
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