0668 - Silva auf dem Höllenthron
konnte er sich daran nicht erinnern. Die Wunde unter dem Kinn war sehr deutlich zu sehen. Sie besaß etwa die Länge seines halben Zeigefingers, blutete noch immer, und ein dünnes Rinnsal lief seiner Brust entgegen.
Pflaster war vorhanden. Schon in verschiedenen Größen zurechtgeschnitten.
Seine Hände zittern, als er es aufriß. Eddy schaffte es beim vierten Versuch, das Pflaster auf die Wunde zu kleben und es an den Seiten festzudrücken.
Da war er schon mit seinen Kräften am Ende. Er schaffte es gerade noch bis zu einem weißen Sessel, in den er hineinsackte wie ein schwerer Stein.
Wenig später konnte er sich nicht mehr halten. Da heulte der Agent Eddy de Soto wie ein kleines Kind…
***
Unser Frust nahm nicht nur zu, er potenzierte sich auch. Wir waren beide gereizt, als wir bei Lady Sarah Goldwyn eintrafen und feststellten, daß Jane Collins noch nicht vorhanden war.
Die Horror-Oma umfing uns nicht allein mit Umarmungen, auch mit einem Schwall von Worten.
Sie hatte einen kleinen Imbiß zurechtgemacht, und wir ließen uns trotz des Ärgers und der Frustrationen das Roastbeef gut schmecken.
Natürlich hatte sie Fragen, mit denen sie uns beide förmlich überschwemmte. Lady Sarah konnte nicht ruhig sitzenbleiben. Bei jeder Bewegung klirrten die Ketten, und sie wollte nicht nur über den neuen Fall Bescheid wissen, sondern auch über die Jagd nach dem Flüssigen Leben und die Rettung der Nadine Berger.
Wir aßen, schluckten, redeten abwechselnd, während Sarah Goldwyn gespannt zuhörte.
»Das kann ich einfach nicht glauben«, flüsterte sie. »Das ist ja unwahrscheinlich. Daß man einen Vampir noch retten kann, so etwas hätte ich nie für möglich gehalten.«
»Ich auch nicht«, gab ich ehrlich zu.
»Und wie wird es weitergehen?«
Ich hob die Schultern. »Wenn du mich nach Nadine fragst, so hat sie ihr Schicksal in die eigenen Hände genommen. Das heißt, sie möchte sich von uns trennen.«
»Schade.«
Ich hob die Schultern. »Finde ich auch. Vielleicht besteht für sie eine Chance, in ihren alten Beruf zurückzukehren. Nadine war ja keine schlechte Schauspielerin.«
»Da hast du recht.«
Suko aß und nickte dazu. Er wischte die Lippen mit der Serviette trocken und legte die Stirn in Falten. »Ich mache mir allerdings Sorgen um Jane«, kam er wieder zum eigentlichen Thema. »Hoffentlich ist sie nicht in eine Falle gelaufen.«
»Habt ihr eine Zeit ausgemacht, wann ihr euch treffen wollt?«
»Nein, nur bei dir.«
Lady Sarah spielte mit ihren Ketten und lächelte. »Keine Sorge, sie wird noch kommen. Bis dahin können wir einen Wein trinken. Ich habe den neuen Beaujolais im Kühlschrank. Gerade in diesem Jahr ist der Wein super geworden.«
»Ein Glas werde ich trinken. Und du, John?«
»Ebenfalls.«
Lady Sarah verschwand in der Küche. Ich schaute auf die Uhr. Der Abend war längst angebrochen und bereits schon fortgeschritten. Lady Sarah kehrte zurück. Die Flasche hatte sie bereits entkorkt.
Auf dem Tablett standen noch drei Gläser.
»Ein Schlückchen werde auch ich mir gönnen«, erklärte sie mit verschmitztem Lächeln.
»Du kannst auch zwei trinken«, sagte ich.
»Nein, das wäre zuviel. Ich muß an meine Gesundheit denken und bin nicht mehr die Jüngste.«
»Aber noch top.«
»Das hast du gesagt, John.«
Das Einschenken übernahm ich. Bevor wir tranken, schnupperten wir am Glas.
Der Wein roch wirklich ausgezeichnet. Ein Duft von frischen Beeren stieg in unsere Nasen und breitete schon dort seine Fülle aus.
»Das ist klasse«, lobte ich.
»Und ob«, sagte Lady Sarah. »Es ist der beste, den ich auftreiben konnte.« Auf ihrem Stuhl drehte sie sich und schaute gegen die Tür. »Ich glaube, da ist jemand gekommen.« Sie hatte recht. Jane Collins war endlich da. Wie ein Wirbelwind betrat sie den Raum, nickte uns zu und ließ ihren Mantel von den Schultern gleiten, den sie anschließend über die Rückenlehne eines Stuhls hängte.
»Ihr seid schon da?«
Ich hatte sie beobachtet. Auf ihren Lippen lag ein bestimmtes Lächeln, das ich sehr gut kannte. Sie trug es immer dann zur Schau, wenn sie Erfolg gehabt hatte.
»Aber mit leeren Händen«, sagte Suko.
»Das konnte ich euch ansehen.«
»Du warst besser.«
Jane setzte sich, die Beine schlug sie übereinander und ließ viel davon sehen. »Ja, ich habe mehr Glück gehabt. Eddy de Soto kann eine Spur für uns sein.«
»Leg los«, sagte ich.
Sie berichtete, bekam zwischendurch ein Glas Wein und trank ihn in kleinen Schlucken.
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