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067 - Das Maedchen in der Pestgrube

067 - Das Maedchen in der Pestgrube

Titel: 067 - Das Maedchen in der Pestgrube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Davenport
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Platzmangels im Jahre 1732 geschlossen. Man begann daher, die Toten in den Katakomben zu bestatten. In den folgenden Jahren wurden mehr als 1000 Tote im alten Teil untergebracht. Doch in den alten Grüften war auch bald kein Platz mehr, denn ein großer Teil der Grabkammern war mit den Gebeinen der Pesttoten gefüllt. Da sich in der Kirche ein ziemlich unangenehmer Geruch breitmachte – die Särge waren nicht sehr stabil, und es roch nach verwesenden Leichen, wurden Luftschächte eingebaut. Und dann wurde mit dem Bau der neuen Katakomben begonnen. Diese neuen Katakomben bestehen aus Kammern, in denen man die Holzsärge mit den Toten einfach übereinander stapelte, bis die Kammer gefüllt war. Dann mauerte man sie zu und grub eine andere Kammer. Das ging einige Jahre so, bis etwa zehn solcher. Kammern entstanden waren. Jede dieser Kammern faßte etwa dreihundert Särge. Da der Platz aber noch immer nicht reichte, öffnete man schließlich die Grabkammern wieder und schaffte die verfaulten Särge fort. Die Gebeine wurden von Bußmönchen und Sträflingen in den Karnern aufgeschichtet. So hatte man wieder Platz und konnte die Grabkammern mit neuen Särgen füllen. Bis zum Jahr 1783 fanden Bestattungen in den Katakomben statt.“
    Immer wieder kamen wir an Karnern vorbei, in denen die Knochen fein säuberlich aufgeschichtet waren. Ich dachte daran, was für eine scheußliche Arbeit es für die Sträflinge gewesen sein mußte, die verfaulten Särge zu öffnen und die Knochen aufzuschichten. Es mußte ein unbeschreiblicher Gestank geherrscht haben.
    Die Gruppe blieb in einem leeren Raum stehen.
    „Sehen Sie diese Leiter?“ fragte der Führer. „Sie führt in die sogenannte Pestgrube. Sie wurde 1768 geschaffen und war mit dem Keller des Deutschordenshauses verbunden. Die Stiege zum Deutschordenshaus wurde einfach zugemauert. In die Pestgrube schaffte man die Gebeine der Pesttoten aus dem alten Teil, um dort neuen Platz zu gewinnen.“
    „Darf man die Leiter hinuntersteigen?“ fragte ich den Führer.
    „Nein“, sagte er. „Das ist verboten.“
    Ich blieb neben der Leiter stehen und warf einen Blick hinunter, konnte aber nichts erkennen.
    „Da ist nicht viel zu sehen“, sagte der Führer zu mir. „Nur Knochen. Unzählige Gebeine.“
    Ich nickte. Auf dem Plan der Katakomben, den ich von den Schwestern hatte, war gerade diese Pestgrube angekreuzt.
    „Wie tief ist die Pestgrube?“ fragte ich.
    „Etwa acht Meter“, antwortete der Führer.
    Wir wanderten nach links.
    „Hier sehen wir nun eine nicht geräumte Grabkammer“, sagte der Führer. „Früher fand man Mumien darin, die jedoch von der Feuchtigkeit zersetzt wurden, als die Wiener Hochquellwasserleitung fertiggestellt war.“
    Ich warf einen Blick in die Grabkammer. Die Holzsärge waren zerfallen und halb verfault. Zwischen den Holztürmen lagen Schädel und Knochen.
    Der Rest der Führung interessierte mich nicht mehr besonders. Wir verließen die Katakomben unter der Capistran-Kanzel, zahlten dem Führer das Eintrittsgeld und traten auf die Straße.
    „Nun, was sagen Sie dazu?“ fragte Helnwein.
    „Es war recht interessant“, sagte ich. „Aber es half mir nicht viel weiter. Was soll das Kreuz auf der Karte der Schwestern bedeuten?“
    „Das kann ich Ihnen leider auch nicht sagen“, meinte Helnwein.
    Ich kratzte mir das Kinn.
    „Es muß irgendeine Möglichkeit geben, in die Pestgrube zu steigen“, sagte ich.
    Helnwein blickte mich entsetzt an. „Sie wollen in die Pestgrube hinuntersteigen?“
    Ich nickte.
    „Aber – das wird nicht – möglich sein“, stammelte er.
    Ich grinste. „Mir wird schon eine Möglichkeit einfallen. Der Führer erwähnte einige Luftschächte. Wir werden jetzt mal rund um den Dom gehen und uns diese Luftschächte ansehen. Außerdem soll es ja auch Sargrutschen gegeben haben, durch die die Toten in die Katakomben hinuntergelassen wurden.“
    „Sie lassen sich nicht von Ihrem wahnwitzigen Vorhaben abbringen?“
    Ich sah ihn an und schüttelte den Kopf. „Nein.“
    Schweigend gingen wir um den Dom herum.
    „Wenn es keine andere Möglichkeit gibt, dann breche ich einfach in den Dom ein“, sagte ich.
    „Sie schrecken wohl vor gar nichts zurück?“
    „Vor nicht viel“, sagte ich. „Ich bin nicht sehr ängstlich. Und vor Toten habe ich überhaupt keine Angst.“
    Wir hatten den Rundgang um den Dom abgeschlossen, aber nichts Besonderes feststellen können. Die Luftschächte waren mit Gittern abgesichert. Ich machte

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