Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
067 - Das Maedchen in der Pestgrube

067 - Das Maedchen in der Pestgrube

Titel: 067 - Das Maedchen in der Pestgrube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Davenport
Vom Netzwerk:
Umrisse einer Frauengestalt, die von Sekunde zu Sekunde plastischere Formen bekam.
    Ich hielt den Atem an. Es war ein junges Mädchen. Sie wandte mir den Rücken zu. Das Mädchen trug einen knöchellangen grünen Rock, darüber eine weiße Schürze und gelbe Schuhe mit einem winzigen Absatz. Der Oberkörper steckte in einem braunen Mieder, aus dem eine weiße hemdartige Bluse hervorlugte. Das blonde Haar war unter einer seltsam geformten goldbraunen Haube versteckt. In der rechten Hand trug sei einen kunstvoll verzierten Fächer, in der linken ein gelbes Tuch. Sie wandte sich mir jetzt zu.
    „Eva“, rief ich.
    Es gab keinen Zweifel: Es war das Mädchen, das ich bei Helnwein gesehen hatte. Doch sie achtete nicht auf meinen Ruf.
    Ich lief auf sie zu und griff nach ihr. Meine Hand glitt durch ihren Körper hindurch. Ich probierte es nochmals – vergebens. Das Mädchen war körperlos.
    Ich blieb stehen und beobachtete sie. Sie ging zu einem der winzigen Tischchen, steckte den Fächer in eine der Taschen ihrer Schürze und wischte mit dem Tuch über eine Tischplatte. Dabei bewegte, sie die Lippen leicht. Sie schien vergnügt vor sich hinzusummen, doch ich hörte keinen Ton. Langsam ging sie zu einem anderen Tisch und polierte die Platte.
    Ich kniff die Augen zusammen. Was hatte das zu bedeuten?
    Nach der Kleidung zu schließen, mußte es sich um das Ende des 17. Oder den Anfang des 18. Jahrhunderts handeln. Ich ließ das Mädchen nicht aus den Augen. Sie summte weiter vor sich hin, blieb plötzlich stehen und drehte sich vergnügt im Kreis.
    Dann wurde die Tür geöffnet, und ein Schatten trat ins Zimmer.
    Ein konturloses Etwas. Die Tür fiel lautlos zu, und der Schatten näherte sich dem Mädchen, das sich ängstlich gegen die Wand preßte. Das Tuch war ihren Händen entfallen. Sie sagte etwas und preßte beide Hände gegen den wogenden Busen.
    Der Schatten, der ins Zimmer getreten war, nahm langsam Konturen an. Es war ein hochgewachsener Mann. Er trug eine dunkelbraune Perücke, über die ein breitkrempiger brauner Hut gestülpt war. Sein Gesicht war hager und glatt rasiert. Er hatte einen knielangen braunen Rock an, unter dem ein Degen hervorblitzte. Seine Waden steckten in Seidenstrümpfen, und er trug Schuhe, die mit Silberschnallen verziert waren.
    Das Gesicht des Unbekannten verzerrte sich leicht, als er vor dem Mädchen stehenblieb, das immer heftiger atmete. Er streckte beide Hände nach ihr aus. Sie wollte davonlaufen, doch er packte sie am rechten Arm und riß sie an sich. Sie trommelte mit beiden Fäusten gegen seine Brust, und sein Gesicht verzerrte sich zu einem bösartigen Grinsen. Er schüttelte das Mädchen wild hin und her, und ihre Gegenwehr erstarb.
    Ich war mit zwei Sprüngen neben dem kämpfenden Paar und griff nach dem Mann, doch meine Hände glitten durch ihn hindurch. Er merkte nichts von mir. Es waren Schattenwesen.
    Der Kampf wurde immer erbitterter, bis das Mädchen zusammensackte. Die Gestalten wurden durchscheinend. Für wenige Augenblicke flimmerte die Luft wieder, dann war der Spuk verschwunden. Das Zimmer war wieder leer.
    Ich zwirbelte gedankenverloren meinen Schnurrbart. Hatte ich das alles nur geträumt? Es war mir aber sehr real vorgekommen, ich hatte nur keinen Laut gehört. Aber was hatte es zu bedeuten? Das Mädchen war eindeutig Eva, da gab es keinen Zweifel.
    Ich wollte nicht locker lassen, bis mir Helnwein die Wahrheit über das Mädchen erzählt hatte. Wieder folgte ich den Fußspuren. Ich öffnete eine Tür, betrat einen schmalen Gang und kam zu einer weiteren Tür, aber sie war versperrt. Es bereitete mir einige Mühe, sie aufzubekommen, doch schließlich gelang es mir. Ein kleiner, dunkler Raum lag vor mir. Die der Tür gegenüberliegende Wand war mit einem schwarzen Vorhang bedeckt, der bis zum Boden herabreichte, die übrigen Wände waren ebenfalls schwarz. Ich suchte nach einem Lichtschalter, fand aber keinen. Seufzend zog ich die Taschenlampe hervor, knipste sie an, zog den Vorhang ein Stück zur Seite und blickte dahinter.
    Auf einem etwa einen Meter hohen Sockel stand ein Reliquienschrein. Ich sah mir den Schrein genauer an. Es war ein etwa faustgroßer Glaswürfel, dessen Kanten mit Blei versiegelt waren. Ich leuchtete hinein. Zwei Haarlocken und einige Fingernägel lagen darin.
    Ich griff nach dem Schrein, zuckte zurück, stieß einen unterdrückten Schrei aus und sah meine Hand an. Sie war rot geworden und schwoll an.
    „Verdammt noch mal!“ fluchte ich mit

Weitere Kostenlose Bücher