067 - Das Maedchen in der Pestgrube
Es wäre mein Tod gewesen, wenn ich es gewagt hätte, die unheimliche Versammlung zu stören. Ich glitt tiefer, bis ich die Stimmen nur noch sehr undeutlich vernahm. Nur eines ging eindeutig aus ihren Worten hervor: Die Familie Zamis verschwor sich mit Steffi im Kampf gegen Asmodi. Eigentlich konnte mir das ja nur recht sein.
Ich zuckte zusammen, als ich den Schrei eines Tieres hörte. Danach wurde es still.
Schritte näherten sich dem Schacht. Ich ließ mich auf den Bodenfallen. Die Schritte kamen näher. Irgend etwas prallte gegen die Leiter. Ein Scharren war zu hören. Vorsichtig trat ich einen Schritt zur Seite. Etwas fiel den Schacht hinunter und krachte neben mir zu Boden. Die Schritte entfernten sich.
Ich wartete einige Minuten, dann bückte ich mich, neugierig, was die unheimliche Versammlung in die Pestgrube geworfen hatte. Kurz knipste ich die Lampe an, wandte mich aber gleich wieder schaudernd ab. Es war ein junges, blutüberströmtes Schaf.
Rasch kletterte ich die Leiter hoch.
Der Spuk war vorüber. Die Kapuzenmänner und Steffi waren verschwunden. Ich blickte mich in der leeren Kammer um und entdeckte in einer Ecke eine Blutlache. Gehetzt suchte ich nach dem Ausgang, fand ihn aber nicht. Mehr als eine Stunde suchte ich, dann gab ich es auf. Es war kurz nach zwei Uhr. Mir blieb keine andere Wahl. Ich mußte die Nacht in den Katakomben verbringen und auf die erste Führung warten.
Zögernd betrat ich die Unterkirche, setzte mich in eine der Bänke, steckte mir eine Zigarette an und rauchte. Helnwein würde sich um mich sorgen, aber ich konnte nichts daran ändern. Als ich zu Ende geraucht hatte, legte ich mich auf die Bank. Sie war hart und unbequem. Nach einigen Minuten setzte ich mich wieder auf. Mein Geist kam einfach nicht zur Ruhe.
Welche Verbindung bestand zwischen Steffi und der Familie Zamis? Woher kam das Mädchen? Doch so sehr ich mir auch das Hirn zermarterte, ich fand keine Antwort auf meine Fragen.
Ich legte mich erneut auf die Bank und schlief irgendwann ein.
Stimmen weckten mich. Ich setzte mich verschlafen auf und blickte auf die Uhr. Es war zehn. Die erste Führung durch die Katakomben begann.
Ich klopfte den Staub von der Kleidung und verbarg mich in einer Nische. Meine Hose war zerrissen, ich sah wie ein Landstreicher aus.
Als der Führer mit seiner Gruppe an mir vorbei war, lief ich in den Vorraum, öffnete die Tür und hastete die Stufen hoch, die in den Dom führten, und weiter durch die Kirche zum Hauptausgang. Einige Besucher des Doms warfen mir überraschte Blicke zu, doch ich achtete nicht auf sie.
Aufatmend trat ich ins Freie, wandte mich nach links und blieb vor den Telefonzellen stehen, die alle besetzt waren. Wütend klopfte ich nach einer Weile gegen eine der Glaszellen, in der eine unglaublich dicke Frau stand, die eifrig in den Hörer quasselte.
Sie wandte mir ihr häßliches Gesicht zu, bedachte mich mit einem bitterbösen Blick und öffnete die Tür einen Spalt.
„Ich telefoniere so lange, wie ich will“, fauchte sie und schloß die Tür wieder.
Fluchend wandte ich mich der zweiten Zelle zu. Ein langhaariger Jüngling hatte den Hörer zwischen Hals und Schulter geklemmt und schrieb eifrig irgend etwas auf einen Block. Ich riß einfach die Glastür auf.
„Telefonieren Sie noch lange?“ fragte ich. „Ich habe ein ganz dringendes Gespräch zu führen.“ „Einen Augenblick noch“, sagte er.
Ich schloß die Tür und steckte mir eine Zigarette an. Der langhaarige Bruder musterte mich mit zusammengekniffenen Augen, hängte ein und verließ die Zelle.
„Sie hatten wohl einen Unfall?“ fragte er.
Ich nickte, trat in die Zelle, hob den Hörer ab, warf eine Schillingmünze in den Schlitz und wählte Helnweins Nummer. Das Telefon läutete mindestens achtmal. Ich wählte nochmals, doch es meldete sich niemand.
Ich hatte Helnwein doch ausdrücklich gesagt, daß er zu Hause auf mich warte sollte. War ihm vielleicht etwas zugestoßen?
Ich stürzte aus der Zelle, sah mich nach einem Taxi um, und da ich keines entdecken konnte, lief ich die Kärntnerstraße entlang bis zum Taxistand an der Krugerstraße.
Ich stieg in das erste Taxi ein und keuchte: „Jagdschloßgasse! Fahren Sie so rasch es geht!“
Der Fahrer musterte mich mißtrauisch. Ich war alles andere als ein hübscher Anblick, in dem schmutzigen, zerrissenen Anzug.
„Schauen Sie nicht so langsam!“ knurrte ich wütend. „Ich hatte einen Unfall. Fahren Sie endlich los!“
Der Mann
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