0671 - Der vergessene Gott
wohin der Gang führte und warum es überhaupt einen Geheimgang in ihrem Quartier gab, den niemand benutzen konnte.
Araki schwieg.
Larku steckte sein Schwert zurück und fluchte leise.
»Alle nach draußen«, rief er verärgert. »Teilt euch auf und findet den Befreier. Und vergeßt nicht«, fügte er mit einem drohenden Blick auf Gerton hinzu, »wir brauchen ihn lebend.«
»Das wird nicht nötig sein«, widersprach Araki.
Alle Zentauren, die sich in dem kleinen Raum versammelt hatten, starrten sie an.
Die Göttin lächelte kalt. »Der Befreier hat gezeigt, daß die Zeit unter den Menschen seinen Geist vergiftet hat. Er wird uns nicht helfen. Wenn ihr ihn töten wollt, dann tötet ihn ruhig.«
Selbst Larku zögerte einen Moment. Dann senkte er seinen Blick und nickte. »Wie du wünschst«, sagte er und verließ den Raum.
Die anderen Zentauren folgten ihm.
Gerton, der in ihrer Mitte trabte, hing eigenen Gedanken nach. Er hatte in den letzten Stunden viel gehört und viel gesehen. Nicht alles konnte er mit dem Kampf, an den er bisher immer geglaubt hatte, in Einklang bringen. Es gab Widersprüche, die ihm nicht aus dem Kopf gingen.
Vielleicht, dachte er, ist die Zeit gekommen, an etwas Neues zu glauben.
***
Zamorra gingen ähnliche Fragen durch den Kopf, während er durch den dunklen Gang lief, der zu schmal für die Zentauren war. Hatte es früher vielleicht schon einmal Bewohner dieser Höhle gegeben, die diesen Gang angelegt hatten, oder gab es einen anderen Grund für seine Existenz?
Der Parapsychologe kniff die Augen zusammen, als er vor sich ein flackerndes Licht sah. Seine Hoffnung auf eine schnelle Flucht sank. Offensichtlich führte der Gang nicht aus dem Höhlensystem hinaus, sondern tiefer hinein.
Im nächsten Moment weitete sich der Gang.
Zamorra blieb überrascht stehen. Er befand sich am Rand einer Grotte, die von zahlreichen Pechfackeln erleuchtet wurde. Wer auch immer diesen Gang benutzte, kam anscheinend regelmäßig hierher.
Das Innere der Grotte war angefüllt mit primitiv aussehenden wissenschaftlichen Geräten und Büchern, Tausenden von Büchern. Auf einem Tisch entdeckte Zamorra eine Art Mikroskop, auf einem anderen einen Bunsenbrenner und Reagenzgläser, die halb unter Notizen begraben waren.
Der Dämonenjäger ging langsam tiefer in die Grotte hinein. Wahllos griff er nach einem der Bücher und schlug es auf. Ihm starrten handschriftlich geschriebene Buchstaben entgegen.
Altgriechisch , dachte er erstaunt. Kurz überflog er die Seite, legte das Buch dann beiseite und schlug ein anderes auf. Auch das legte er nach einem Moment weg, ging zu einem der Tische und las die handschriftlichen Kommentare, die aufgeschlagen vor ihm lagen.
Nach einigen Minuten sah er auf und atmete tief durch. Die Entdeckung, die er hier gemacht hatte, war ungeheuerlich. Um ihn herum, in dieser Grotte, befand sich die größte Bibliothek, die er je über magische Wesen gesehen hatte.
Er wußte, daß es klüger gewesen wäre, so schnell wie möglich aus dem Höhlensystem zu verschwinden, aber diese Entdeckung faszinierte ihn.
Zamorra machte sich nicht mehr die Mühe, die Bücher aufzuschlagen, sondern ließ seinen Blick einfach nur über die Seiten gleiten, die offen vor ihm lagen. Er sah Verhaltensstudien über Trolle, DNS-Analysen von Elfen, medizinische Protokolle über Krankheiten bei Flugdrachen - und immer wieder Aufzeichnungen über Zentauren. Wer auch immer diese Bücher verfaßt hatte - und anhand der Handschrift war Zamorra sich sicher, daß es nur eine Person war -, war geradezu besessen von den Pferdemenschen. Und hatte sehr viel Zeit. Der Parapsychologe schätzte, daß ein Mensch allein in seinem Leben nicht ein Zehntel dieser Aufzeichnungen hätte anlegen können.
Mühsam riß er sich von den Büchern los und begann mit der Suche nach einem Ausgang. Die wissenschaftlichen Aufzeichnungen hatten einen Verdacht in ihm geweckt, und wenn der stimmte, hatte diese Welt noch größere Probleme, als er bisher gedacht hatte.
Zamorra nahm eine der Pechfackeln aus ihrer Halterung und hielt sie prüfend hoch. Die Flamme brannte senkrecht. Es gab keinen Windhauch, der ihm den Ausgang verraten hätte. Er ging langsam weiter, die Pechfackel immer im Blick.
Nach einigen Schritten bemerkte er, wie die Flamme nach links zog. Er folgte der Richtung, bis er vor einer unscheinbaren Felswand stand. Die Fackel brannte jetzt fast waagerecht. Mit den Fingern tastete der Dämonenjäger den glatten Stein ab. Er
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