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0671 - Der vergessene Gott

0671 - Der vergessene Gott

Titel: 0671 - Der vergessene Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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fand eine Mulde und darin einen kleinen Hebel, den er zur Seite zog.
    Einen Moment lang geschah nichts, dann klappte die Felswand vor ihm lautlos nach außen.
    Zamorra blinzelte im hellen Tageslicht.
    Er hatte den Ausgang gefunden.
    Und die Zentauren hatten ihn gefunden.
    ***
    Der alte Zauberer legte die Insignien seiner Macht an, die goldene Kette, die ihn als Fürsten von San auswies und den hölzernen Zauberstab, den nur der Meisterzauberer von San-Lirri tragen durfte.
    Er zögerte einen Moment, als sein Blick auf das lange Schwert fiel, das er ebenfalls herausgelegt hatte.
    Nein, dachte er dann entschieden.
    Da draußen gibt es schon viel zu viele Krieger. Wenn ich noch etwas ausrichten will, dann muß es ohne Waffen gehen.
    Prahil-Gi ging zum Balkon seines Schlafzimmers und warf einen prüfenden Blick in den Himmel. Es würde schon bald Abend werden, aber er hatte nicht mehr die Zeit, den nächsten Morgen abzuwarten.
    Seit Nefir mit den Soldaten unterwegs war und sein Geheimdienstchef Rekoc unauffindbar war, fühlte sich der Zauberer wie abgeschnitten von der Außenwelt. Sein Palast war zu einem Gefängnis geworden, aus dem er nicht entfliehen konnte, denn immer wieder wurde seine Entscheidung in wichtigen Dingen gefordert. Doch heute Abend sah alles anders aus. Heute, das fühlte er, wurden die Entscheidungen draußen gefällt - und er hatte sich entschlossen, dabei zu sein.
    In den letzten Stunden war er immer unruhiger geworden, hatte sich auf nichts mehr konzentrieren können.
    Vielleicht, dachte er, ist das ein Wink der Götter. Sie möchten, daß ich etwas unternehme.
    Er seufzte und erhob sich mit einem kurzen Zauberspruch in die Luft. Auf diese Weise würde er Nefir noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichen. Außerdem stellte er so sicher, daß seine Leibwache ihn nicht vorzeitig entdeckte und ihn möglicherweise doch noch von seinem Plan abbrachte.
    Denn Prahil-Gi hatte Angst.
    Er wußte nicht, wovor er sich fürchtete, als er einem Impuls nachgab und noch eine Runde über seine neu erbaute Stadt drehte.
    Er wußte auch nicht, warum ihm die Tränen in die Augen stiegen, als er San Lirri hinter sich ließ und gen Westen flog.
    Nur eins wußte er.
    Er würde die Stadt nie wieder sehen.
    ***
    Zweitausend Jahre zuvor, Erde
    Aufzeichnungen des Zentaurenfürsten Cumil-Logropatek
    Mehr als sechs Wochen sind vergangen, seit wir Vercingetorix verlassen haben. Inzwischen sind wir in Britannien gelandet und ziehen weiter nach Norden. Die Nächte sind beißend kalt und am Morgen liegt ein weißer Tau auf den Gräsern. Es kann nicht mehr lange dauern, bis der erste Schnee fällt.
    Trotzdem marschieren wir weiter.
    Die keltischen Stämme haben uns herzlich willkommen geheißen, hatten jedoch auch schmerzliche Kunde. Vercingetorix und seine tapferen Krieger sind geschlagen, der große Feldherr selbst wird in Ketten nach Rom gebracht, um dort zur Belustigung des Volkes hingerichtet zu werden. Es sind schlimme Zeiten für die Stämme des Nordens, denen wir uns längst verbundener fühlen als den Römern.
    Die Kelten, die sich hier Bretonen und Pikten nennen, wissen, daß auch sie bald von den Legionen Cäsars überrannt werden, und doch geben sie sich fröhlich und zeigen keine Angst.
    Wir haben auf unserer Reise die Gastfreundschaft vieler Stämme genossen, und überall hört man den gleichen Namen, der mit großer Hoffnung gesprochen wird: Merlin.
    Er gilt als großer Zauberer, als mächtigster aller Druiden. An ihn wenden sich die Kelten. Er soll sie vor Cäsar schützen. Anfangs hielt ich die Geschichten über diesen Merlin für Legenden, die sich ein Volk ausdenkt, um nicht jegliche Hoffnung zu verlieren, doch nach einer Weile war ich überzeugt, bei Merlin Hilfe zu finden. Ich fragte einen Druiden, wo ich den großen Zauberer finden könne. Er lächelte und sagte, wenn ich weiter durch das Land zöge, würde er mich finden.
    Und so folge ich seinem Rat und gehe weiter, obwohl mein Volk müde ist und die Menschen nur bei uns bleiben, weil sie nicht wissen, wohin sie sich wenden sollen.
    Merlin ist unsere letzte Hoffnung.
    ***
    Nicole ging neben Rekoc auf die Knie und drehte ihn vorsichtig auf die Seite. Der Pfeil steckte tief in seinem Körper, aber der Affe atmete noch.
    »Bleib ganz ruhig«, sagte sie leise. »Das kriegen wir schon wieder hin.«
    Sie wußte nicht, ob Rekoc, dessen Augen geschlossen waren, sie überhaupt gehört hatte.
    Um sie herum begann es zu rascheln. Nicole sah auf. Überall im Wald verteilt

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