0676 - Die Höhle des Grauens
geheimen Staatspolizei.
Ein Spitzel.
***
Zamorra sah sich unsicher um. Gryfs zeitloser Sprung war nicht nur in, sondern auch vor der Höhle gescheitert, was bedeutete, daß der Bann sich entweder noch weiter ausdehnte, oder aber der Druide selbst im Zentrum stand. Und ihren Vorsatz, unauffällig zu bleiben, konnten sie in Anbetracht der Menschenmenge vor ihnen wohl auch vergessen.
»Was machen wir jetzt?« flüsterte Gryf ihm zu, während er die Bauarbeiter weiter anlächelte.
Der Parapsychologe hob die Schultern. Die gleiche Frage hatte er sich auch schon gestellt.
»Wir gehen einfach«, schlug er vor. »Mal sehen, was passiert.«
Im gleichen Moment löste sich eine kleine, dicke Chinesin und stapfte, eine Staubfahne hinter sich herziehend, auf den Dämonenjäger und den Druiden zu. Sie blieb vor den beiden stehen und stemmte die Hände in die Hüften.
»Nimen ting de dong wo de hua?« sagte sie. Zumindest glaubte Zamorra, eine solche Tonfolge zu hören, denn er verstand kein Wort.
»Sie sprechen wohl nicht zufällig deutsch?« entgegnete er ohne große Hoffnung. »English? Francais, Italiano, Espanol, Russki?«
»Latein, griechisch, hethitisch oder phönizisch?« fügte Gryf hinzu.
Die Chinesin sah sie nur verständnislos an. »Nimen ting de dong wo de hua?« wiederholte sie überdeutlich, als würde sie mit Kindern sprechen.
Zamorra fluchte lautlos. Er und Gryf konnten sich in den meisten Epochen der Weltgeschichte mühelos verständigen und hatten selbst auf anderen Planeten weniger Schwierigkeiten gehabt als in diesem Land, das gerade mal etwa zehntausend Kilometer von Frankreich entfernt war. Unter normalen Umständen hätte Gryfs Telepathie ihnen zumindest verraten, ob die Frau ihnen feindlich gesinnt war, aber dieses Hilfsmittel fiel leider aus. Aus dem Tonfall der Sprache, die mehr gesungen als gesprochen wurde, ließen sich auch keine Schlüsse ziehen und der Gesichtsausdruck der Chinesin lag halb im Schatten ihrer zu großen blauen Schirmmütze verborgen.
Sie schien zu begreifen, daß ihre Frage nicht verstanden wurde, und drehte sich hilfesuchend zu den anderen Arbeitern um. Ein junger Mann trat vor. Er sagte einige Worte zu ihr. Zamorra bekam den Eindruck, daß die ältere Frau seine Vorgesetzte war.
Die Chinesin hörte zu und entgegnete etwas.
Der jüngere Arbeiter räusperte sich. »Verstehen Sie mich?« sagte er in langsamem, aber guten Englisch.
Zamorra nickte erleichtert. »Ja, das tue ich. Was hat sie zu uns gesagt?« fragte er dann mit einem Blick auf die ältere Frau.
»Sie wollte wissen, was Sie hier machen. Dieses Gebiet ist für Touristen gesperrt. Aber ich glaube nicht, daß Sie Touristen sind.«
Gryf und Zamorra warfen sich einen kurzen Blick zu, während sie in Gedanken fieberhaft nach einer glaubhaften Ausrede suchten. Der junge Arbeiter gab ihnen allerdings keine Gelegenheit zu einer Antwort, sondern fuhr nach einigen Sekunden fort: »Ich glaube, daß Sie Ingenieure aus Europa sind, die versehentlich von ihrer Arbeitseinheit getrennt wurden. Habe ich recht?«
Zamorra stutzte. Der Arbeiter hatte ihnen mit seinen Worten die Ausrede förmlich in den Mund gelegt. Warum tat er das?
Neben ihm entschied Gryf, daß das Sprichwort über den geschenkten Gaul immer noch Gültigkeit besaß. »Ja, richtig. Wir wollten ein paar Bodenproben nehmen wegen der…« Er zögerte.
»Sprengungen…«, half der Dämonenjäger aus.
»Genau, und dabei sind wir wohl von den anderen getrennt worden.«
Die ältere Frau unterbrach seine Ausführungen ungeduldig und erhielt prompt eine, wie Zamorra hoffte, angemessene Übersetzung. Während der Arbeiter redete, musterte sie die beiden Europäer mit abschätzendem Blick.
Ein paar andere Arbeiter lachten. Anscheinend hatte der junge Chinese seine Übersetzung mit einem Scherz angereichert. Zamorra konnte sich denken, auf welche Kosten der ging, aber die lachenden Gesichter der Bauarbeiter waren ihm immer noch lieber, als die dunkle Mündung einer Polizeipistole.
Ihr Übersetzer wechselte erneut die Sprache. »Meine Vorgesetzte erlaubt mir, Ihnen den Weg zu zeigen. Folgen Sie mir bitte.«
Gryf und Zamorra kamen seiner Aufforderung nur zu gerne nach. Sie brauchten ein wenig Ruhe, um sich ihre nächsten Schritte zu überlegen, und vielleicht, hoffte der Dämonenjäger, erhielt Gryf doch noch seine Fähigkeiten zurück, wenn sie erst einmal weit genug von der Höhle entfernt waren.
Ihr selbst ernannter Fremdenführer, Lei Feng, ging vor ihnen her.
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