0677 - Das Haus der Hyänen
bleiben, aber es hat keinen Sinn.«
»Wie meinst du das?«
»Ganz einfach, Olga. Wenn er nicht zu uns kommt, werden wir zu ihm gehen.«
»Du willst ihn also suchen?«
»So ist es.«
Sie schaute mich zunächst an, dann nickte sie. »Ja, das traue ich dir zu. Du bist ein solcher Typ, der einfach loszieht und seinem Feind entgegengeht.«
»Muss ich doch.«
»Nur mußt du ihn auch finden.«
Ich strich über ihre kalte Wange, die ich unter der Mütze sah. »Ich werde ihn finden, und ich möchte dich bitten, mir dabei zu helfen. Du bist diejenige Person, die sich mit ihm beschäftigt hat. Du kennst dich aus, Olga.«
»Nein, nicht so gut.«
»Doch, Olga, doch. Du mußt nur nachdenken, das ist alles. Ich bin davon überzeugt, dass wir es packen. Dieser Boris muss ein Versteck haben. Ich glaube nicht, dass er nur durch die Gegend irrt, das kannst du mir nicht erzählen.«
Sie seufzte auf. »Ja, du hast recht. Es gibt ein Versteck, John.«
»Na bitte.«
Sie wollte noch etwas sagen, aber wir hörten das Geräusch eines anfahrenden Autos. Es kam aus der Richtung, aus der auch der blutige Boris erschienen war.
»Wer kann das sein, John?«
»Keine Ahnung, aber ich habe einen bestimmten Verdacht.« Mein Lächeln wurde kantig. Dann wunderte sich Olga, als ich mich auf die Straße stellte und winkte.
Der Scheinwerferteppich überwarf die Schneedecke mit einem glasig wirkenden Licht. Aufgewirbelte Körner wirkten wie kostbare Splitter, und als der Fahrer auf die Bremse trat, da tanzte der Wagen etwas, weil er ausscheren wollte.
Er kam trotzdem zum Stehen, ohne dass ich hätte zur Seite laufen müssen.
Jemand öffnete die Wagentür des jeepähnlichen Militärfahrzeugs. Ein Mann stieg aus, sah mich und lachte plötzlich.
»Wladimir!« rief ich.
»John Sinclair - Towaritsch!«
Sekunden später lagen wir uns in den Armen.
***
Für mich sah die Zukunft wieder etwas rosiger aus, jetzt, wo ich Wladimir Golenkow an meiner Seite wusste. Ich hatte ihm Olga Schirnow vorgestellt und in Kurzform berichtet, was uns widerfahren war. Danach waren wir zurück in das Hotel gegangen, wo wir uns in der kleinen Halle aufwärmen und reden wollten.
Der Portier war noch da. Er hielt sich tapfer, den Tee aber kochte Olga.
Ich wunderte mich nicht mehr, als ich die Erklärung für die Verspätung meines russischen Freundes hörte. Er war ziemlich geknickt und bat mich, keinen Kommentar zu geben, weil er selbst wusste, wie es in seinem Land manchmal aussah.
»Glück hast du auch gehabt«, sagte ich. »Der Angriff hätte auch ins Auge gehen können.«
»Klar.«
»Du kennst den blutigen Boris?«
»Nein.«
»Dann wird dir Olga berichten, was mit ihm los ist. Er ist ein russischer Graf gewesen und hat vor einigen Hundert Jahren gelebt. Ein Fluch zwingt ihn dazu, alle fünfzig Jahre zurückzukehren und einem Menschen den Kopf abzuschlagen.«
Wladimir schüttelte sich, als er das hörte. »Mit dieser… dieser verdammten Peitsche?«
»Darauf läuft es wohl hinaus.«
»Verdammt, das ist…«, er schaute zur Seite, weil Olga mit dem Tee kam.
»Wir haben gerade über das Motiv des Grafen gesprochen und sind der Ansicht, dass du uns helfen könntest.«
»Ach ja?«
»Du weißt doch mehr, Olga.«
Sie hob die Schultern und fing damit an, den Tee in die Tassen zu verteilen.
Wir tranken die ersten Schlucke und nahmen auch Nachschlag. Die etwas bitter schmeckende Flüssigkeit wärmte uns gut durch.
»Er ist geflohen, Wladimir, aber Olga sagt, dass er zurückkommen muss, um den alten Fluch zu erfüllen.«
»Wann?«
»Das ist eben das Problem.«
Wladimir hob die Schultern. Er ging davon aus, dass sich Olga näher mit dem Problem beschäftigt hatte, was sie auch zugab. »Dann können Sie uns doch sagen, wo wir ihn kriegen.«
»Ich überlege ja…«
»Vielleicht aus der Geschichte?« mutmaßte ich. »Du kennst seinen Lebensweg, den Fluch und…«
»Er war ein Teufelsdiener.« Sie lehnte sich in dem Sessel zurück. »Ein widerlicher Diener der Hölle. Es geht sogar die Mär um, dass er sich an Menschen gesättigt hat. Schlimmer als der blutige Boris kann keiner gewesen sein. In seinem Schloss hat er wilde Feste gefeiert, die damit endeten, dass Menschen getötet wurden. Das Waten in Blut war für ihn wichtig.«
»Wie vernichtete man ihn?«
»Durch eine Wette!«
»Wie bitte?«
»Ja, John.« Sie redete jetzt noch leiser und hielt die Augen halbgeschlossen. »Man wettete mit ihm, dass er nicht unsterblich sei. Es war ein Fremder, der zu
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