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0677 - Das Haus der Hyänen

0677 - Das Haus der Hyänen

Titel: 0677 - Das Haus der Hyänen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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verteilten sich auf dem Umhang wie makabre Sticker.
    Ich fasste es nicht, aber ich sah auch, dass dieses Wesen sich bewaffnet hatte. Unter dem Umhang schaute eine Klaue hervor. Ob Knochenhand oder Klaue mit dünner Haut, das war für mich nicht zu erkennen.
    Jedenfalls umklammerte sie einen Stiel, von dem nicht nur eine, sondern gleich sechs Peitschenschnüre abzweigten, die in ruhiger Lage wie tote Schlangenkörper wirkten. Sie waren an einer Seite des Schlitten zu Boden gesunken und ringelten sich mit ihren Spitzen über den harten Schnee. Vom Gesicht des Boris Barlow war so gut wie nichts zu sehen.
    Er musste einen Schal oder ein Tuch über den Kopf geschlungen haben, selbst die Augen waren nicht zu erkennen.
    Der Name blutiger Boris bestand zu Recht. Boris war kein Mensch, durch ihn war der Schrecken personifiziert worden.
    Wie lange ich auf ihn gestarrt und mir das Bild eingeprägt hatte, wusste ich selbst nicht. Für mich war es müßig über eine Zeit nachzudenken, die Gestalt riss alles andere an sich.
    Bis ich den leisen Schrei vernahm. Olga hatte ihn ausgestoßen. Sie stand zwar noch neben mir, doch sie hatte ihre Haltung verändert. Sie wirkte wie auf dem Sprung zur Flucht und hielt ihren Arm ausgestreckt.
    »Da… da«, keuchte sie, »er ist es… der Kopf…«
    »Was meinst du?«
    »Großvater, mein Großvater!«
    Eine Faust grub sich in meine Magengrube, als ich die Antwort vernahm.
    Sie hatte von ihrem Großvater gesprochen, und ich erinnerte mich wieder daran, was geschehen war.
    Nur weil der blutige Boris ihren Großvater getötet hatte, war sie aufgebrochen, um sich zu rächen. Nun musste sie feststellen, dass sie einfach zu schwach war, um gegen ein derartiges Monstrum anzukommen. Es musste für die Frau den Schrecken total bedeuten, mit dem Bild konfrontiert zu werden.
    »Welcher Kopf?« fragte ich. Meine Worte drangen nur stockend über die Lippen.
    Olga hatte Mühe, als sie sprach. »Unter der Schulter«, ächzte sie. »Genau unter der Schulter. Die… die struppigen, weißen Haare, die dichten Augenbrauen, das ist er…«
    Ich konzentrierte mich auf das Gesicht. Bei normalem Tageslicht hätte ich mehr gesehen, hier aber konnte ich nur raten, und ich musste mich auf die Beschreibung verlassen.
    Er sah scheußlich aus, er war tot oder hätte zumindest tot sein müssen.
    Trotzdem bewegte er sich.
    Lag es an ihm oder an dem Umhang, der nicht so ruhig die Gestalt verdeckte, das konnte ich leider nicht herausfinden, aber ich wusste, wie es im Innern meiner Begleiterin aussehen musste. Mit einem derartigen Anblick hatte sie bestimmt nicht gerechnet.
    Obwohl die Bewohner Zeugen sein mussten, blieben sie in ihren Häusern, und das war auch gut so. Ich wollte nicht, dass sich einer von ihnen in Gefahr begab. Der blutige Boris machte auf jeden Jagd, ein Wesen wie er kannte kein Pardon.
    Er war gekommen, um neue Opfer zu holen. Er wollte wieder Köpfe und Trophäen sammeln.
    Alle 50 Jahre…
    Anhand der Köpfe ließ sich abzählen wann er seine Rache eröffnet hatte.
    Die Hyänen bewegten sich nicht. Sie standen starr auf dem Fleck und passten sich der Umgebung an, denn auch sie wirkten wie vereist. Nur in ihren Augen entdeckte ich so etwas wie Leben. Sie hatten sich in das Geschirr gestemmt. Der blutige Boris brauchte nur einmal die Zügel zu lockern, dann würden sie springen und den Schlitten anziehen, wobei wir ihnen genau im Weg standen.
    Wahrscheinlich hatte Boris nicht damit gerechnet, dass es überhaupt jemand wagte, sich ihm in den Weg zu stellen. Deshalb diese Verzögerung, die wir uns zunutze machen mussten.
    Olga drehte den Kopf, damit sie mich anschauen konnte. »Was sollen wir denn tun?«
    »Du verschwindest.«
    »Warum? Ich…«
    »Geh zur Seite!«
    Dass es mir ernst war, hatte sie erkannt, was sie mit einem Nicken andeutete. Sie zog dabei den Kopf ein, als sie sich nach rechts bewegte.
    Ein Gehsteig war hier nicht mehr vorhanden, den gab es nur in der Ortsmitte.
    Was würde er tun?
    Zunächst bewegten sich die Hyänen. Die beiden vorderen zumindest scharrten mit den Läufen. Sie kratzten über den harten Schnee und hinterließen dort Spuren.
    Ihre Mäuler bewegten sich. Sie klappten auf und zu, als wollten sie mich angähnen, woran ich wiederum nicht glaubte. Die warteten nur auf ihren Einsatz.
    Die Gestalt auf dem Schlitten bewegte sich. Sie schüttelte irgendwie unwillig den Kopf, bevor sich der Umhang an der rechten Seite bewegte.
    Und mit ihm die Peitsche!
    Sie schwang plötzlich hoch.

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