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0677 - Yaga, die Hexe

0677 - Yaga, die Hexe

Titel: 0677 - Yaga, die Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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was tut sie denn selbst? Ihr füttert sie durch. Warum baut sie nicht Gemüse an in ihrem Garten? Warum nur einen Haufen Blumen, die schön aussehen und schön duften, die man aber nicht essen kann?«
    »Warum soll sie kçine Blumen wachsen lassen? Wenigstens sie tut es - wer von uns kann es sich schon leisten, auch nur eine einzige Erdscholle dafür zu vergeuden?«
    Das Mißtrauen wuchs.
    Ein anderers Mal streute Sergej abends, wenn die Becher mit dem hochprozentigen Wässerchen kreisten, den Verdacht aus, auch die Räuberbanden könnten von der Hexe herbeigelockt worden sein. Er ging dabei geschickt genug vor, jeden Verdacht immer aus den Reihen der Dörfler in Worte kleiden zu lassen. Er machte Vorgaben, lockte - und die einfachen Gemüter fielen darauf herein und sprachen aus, was er ihnen praktisch in den Mund legte. »Oft reitet sie auf ihrem Schimmel weit hinaus ins Land! Warum? Was tut sie dort? Warum fürchtet sie die Räuber nicht, die sich in den Wäldern verbergen?«
    Es lag doch nahe - weil sie sie nicht zu fürchten brauchte… weil sie mit ihnen paktierte…?!
    Aber Sergej selbst brachte diese Vorwürfe nie selbst vor. Er stellte nur Fragen.
    »Vielleicht hat sie sogar den Fürsten oder den Zaren dazu gebracht, die Steuern zu erhöhen, was?« blaffte Wassil Wassilowitch einmal. Der Älteste und der Schmied Wanja sahen ihn kopfschüttelnd und tadelnd an. Aber einmal ausgesprochen, nagte auch dieser Verdacht in den Gedanken der Männer. War Yaga nicht eine Hexe? Konnte sie ihren Zauber nicht auch über den Fürsten geworfen haben? War das so völlig abwegig?
    »Wenn wir alle auf sie hereingefallen sind«, sagte der Älteste einmal, »warum dann nicht auch du, Bruder Sergej?«
    Der Druide lächelte.
    »Vielleicht schützt mich Gott«, sagte er leise. »Vielleicht solltet auch ihr wieder öfters beten oder auch in die Kirche kommen.«
    Wenn er predigte, erzählte er Gleichnisse, die auf Yaga gemünzt waren. Offenkundig wurde es in seinen Reden nie. Aber wer darüber nachdachte, mochte durchaus auf bestimmte Gedanken kommen, was die Hexe betraf.
    Einmal kam sie abends zu Sergej. »Ich weiß, daß du gegen mich intrigierst«, sagte sie offen. »Aber ich weiß nicht, warum du das tust.«
    »Und ich weiß nicht, wovon du redest«, erwiderte er schroff.
    »Was hast du gegen mich?«
    »Als ich kam und mit dir reden wollte, schicktest du mich fort«, sagte er. »Jetzt willst du mit mir reden, und ich schicke dich fort.«
    »Wir sind nicht von der gleichen Art, aber vom gleichen Schlag«, sagte sie. »Treibe es nicht zu weit. Du kennst mich nicht, weißt nichts von mir. Aber ich kenne deine Art.«
    Sie ging wieder, ohne ein weiteres Wort. Sergej empfand ihre Worte als eine Drohung, eine Kampfansage, auch wenn sie sich ebenso vage geäußert hatte wie er selbst. Und er konnte sie immer noch nicht wirklich einschätzen. Sie mußte jene Hexe sein, von der man sich anderswo erzählte, aber sie ließ ihn immer noch nicht an sich heran. Er konnte ihre Gedanken nicht lesen, er konnte ihr Haus nicht betreten. Sie war stark genug, ihn zu blockieren, sobald er sich selbst mit ihr befassen wollte.
    Und er begann zu begreifen, daß diese subtile Auseinandersetzung, in der er die Gefühle der Dorfbewohner als Waffe benutzte, in eine neue Phase trat.
    ***
    Im Frühjahr wurde das Vieh krank. Eine Seuche befiel über die Hälfte der Kühe und Ziegen. Sergej wußte, daß die Seuche von einem Wolfsrudel übertragen worden war, das in den letzten Wintertagen hungrig und verzweifelt ins Dorf eingefallen war. Aber dieses Wissen behielt er für sich, und auch für diese Seuche gab er Yaga die Schuld. Als sie ihre Hilfe anbot, schickte man sie zornig fort. Statt dessen bemühte Sergej sich, die Tiere zu heilen und zu retten, aber er war damit überfordert. Seine Kraft reichte nicht aus, alle zu heilen. Ein Viertel des Viehbestands starb. Ein neuer, böser Schlag für das kleine Dorf.
    »Sie hat das Dorf, uns, dich und mich verflucht«, raunte Sergej angesichts der Katastrophe dem Bauern Yol zu und wurde damit zum ersten Mal deutlich.
    Yol redete mit den anderen.
    Da war es genug. Was bisher nur gebrodelt hatte, brach jetzt aus wie eine Krankheit. Das Unheil nahm seinen Lauf.
    ***
    Für Yaga begann eine schwere Zeit. Die Menschen gingen ihr nun vollständig aus dem Weg. In den Nächten wurden Steine an ihr Fenster geworfen, der Zaun um Haus und Gärtchen zerstört, und der farbenprächtige Blumengarten, den die Hexe so liebte, wurde

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