0677 - Yaga, die Hexe
Dorfbewohnern gegenüber dar.
In Wirklichkeit plauderte er außer Hörweite der Dörfler Belangloses mit den Eintreibern, hieß sie willkommen, lobte die Größe des Herrn und des Zaren und schritt dann mit hängendem Kopf hinter ihnen her, als sie ins Dorf trabten.
Sie nahmen, was sie fanden - sowohl das, was ihrer Ansicht nach dem Zaren im fernen Petersburg zustand, als auch das, was der hiesige Provinzfürst für sich beanspruchte. Und schließlich, was ihnen selbst gefiel.
Es blieb genug zum mageren Überleben; die Steuereintreiber waren nicht so dumm, die Kuh zu schlachten, die sie melken konnten. Aber der Winter würde sehr hart werden, und wenn die Kinder und Alten erkrankten, würden viele sterben.
Schon öfters war es so gewesen.
Der kurze Sommer war kalt und naß gewesen, die Ernte karg, und es blieb nicht genug. Der Älteste warnte - wenn die Menschen nicht hungern wollten, konnte nicht alles Vieh über den langen Winter gefüttert werden. Die andere Möglichkeit war, das Saatgetreide teilweise zu verzehren. Mit entsprechenden Folgen für die folgende Saat- und Ernteperiode… Und schlachtete man einen Teil des Viehs, würde es im nächsten Jahr auch daran fehlen; es gab weniger Fleisch, weniger Milch, weniger Jungtiere.
Böse war es geworden.
Vielleicht hätte es sogar noch mit etwas Mühe und gutem Willen knapp gereicht; es war ja nicht das erste Mal in der Geschichte des Dorfes, daß schlechtes Wetter die Ernte verdarb. Aber zweimal war das Dorf in diesem Jahr von Räuberbanden überfallen und geplündert worden.
So wetzte der Tod am Horizont bereits seine Sense.
»Ich konnte nichts ausrichten«, log Sergej im Dorf. »Sie waren unerbittlich, vielleicht hätten sie mich sogar erschlagen. Ein Diener des himmlischen Herrn ist den Dienern weltlicher Herren nicht viel wert.«
Später wies er auf Yaga.
»Warum hat sie nichts getan? Besitzt sie nicht Zauberkraft? Geht ihr nicht zu ihr, wenn euch die Gicht plagt oder ihr euch die Seele aus dem Leib hustet? Bespricht sie nicht die Felder und das Vieh, damit's gesundet und die Feldfrucht gedeiht? Nun, da hätte sie wohl auch die Büttel behexen können! Doch wo war sie? Versteckt hat sie sich gehalten!«
»Das stimmt«, sagte der starke Wanja nachdenklich. »Während du hingingest und vielleicht dein Leben riskiertest, Bruder Sergej.«
»Sie ist eine Frau«, erinnerte der Älteste. »Was hätte sie sagen sollen? Man hätte sie ausgelacht und sich höchstens mit ihrem Körper vergnügt. Nein, es war schon recht, daß sie sich zurückhielt. Immerhin haben sie auch ihr den Tribut abgefordert.«
»Forscht einmal nach, wie wenig sie zahlte und wie viel ihr«, hetzte der Druide leise. »Und denkt nach! Seit sie hier ist, geht es euch allen schlechter als zuvor.«
»Es ging uns auch vorher schon schlecht.«
»Aber der Herr erhörte eure Gebete, und es wurde ganz allmählich besser. Doch nun - könnte es sein, daß sie verhindert, daß der Herr im Himmel eure Gebete vernimmt? Sie ist eine Zauberin. Ihr wißt das doch, sonst würdet ihr nicht zu ihr gehen!«
Kopfschüttelnd gingen die Männer auseinander. An den Abenden und in den Nächten redeten sie mit ihren Frauen.
Alte Abneigungen und Ängste, schon fast völlig verloschen, erwachten wieder.
Yaga war eine junge, sehr schöne Frau, was ihr auch Neid und Eifersucht der Frauen im Dorf einbrachte. Auch das war immer unterschwellig dagewesen und brach jetzt aus. Die bösen Worte des Druiden fielen auf furchtbaren Boden.
Mit der Zeit wurden seine Worte deutlicher und die Reden im Dorf lauter. »Seit sie hier ist, ist alles schlimmer geworden. Wißt ihr, was sie wirklich tut, wenn sie zaubert?«
»Was willst du damit andeuten, Bruder Sergej?« fragte der Älteste mißtrauisch.
»Andeuten? Nichts. Denn ich weiß so wenig wie ihr, und deshalb stelle ich Fragen! Wenn sie ihren Zauber über das Feld wirft, damit das Getreide besser wächst - was geschieht dann wirklich? Wißt ihr es? Weiß ich es? Bin ich ein Zauberer? Kenne ich mich mit Magie aus? Kennt ihr euch aus?«
»Wenn, dann würden wir sicher nicht zu Yaga gehen«, lachte Wassil Wassilowitsch bitter auf. »Meinst du, sie würde in Wirklichkeit zaubern, daß der Boden schlechter wird?«
»Ich meine gar nichts«, blieb der Druide wieder auf der sicheren Seite. »Ich frage nur. Und ich wundere mich, warum sie sich von euch Milch und Brot bringen läßt, damit sie zaubert, und dann die Ernte doch am Ende schlechter ist als im Jahr davor! Überhaupt,
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