068 - Der Vampir und die Taenzerin
gewesen, als Barnabas mit der Ausrede, Peter helfen zu wollen, aus der Taverne verschwand. Später hatte sie ihn dann mit dem unbekannten Mädchen gesehen. Es war sinnlos, sich noch länger etwas vormachen zu wollen. Der Spiegel reflektierte ihn nicht, seine Haut fühlte sich eisig an. Der Mann, den sie liebte, war ein lebender Toter – der Vampirfluch lastete auf ihm.
Seltsam, daß es nichts an ihren Gefühlen für ihn änderte. Es mußte doch einen Weg geben, ihm zu helfen. Ihn von dem Fluch zu befreien und in ein normales Leben zurückzuführen. Diana war überzeugt, ihre Liebe würde diesen Weg finden. Sie mußte mit Barnabas sprechen.
Die Dämmerung war bereits eingebrochen. Als sie das alte Haus erreichte, stand der Mann im Schultercape in der Tür und blickte ihr überrascht entgegen.
„Hallo!“ begrüßte er sie. „Mußt du denn nicht proben?“
„Später. Ich bin froh, dich noch anzutreffen.“
Überstürzt fügte sie hinzu: „Ich habe dich gestern gesehen. Ich weiß auch, was danach passiert ist, und was du wirklich bist. Das ändert nichts an meiner Liebe. Ich möchte dir helfen.“
Barnabas schaute sie an: „Das klingt so überzeugt.“
„Ich weiß, daß du nichts für den Vampirfluch kannst“, sagte sie ernst. „Gemeinsam werden wir ihn jedoch überwinden.“
„Dein Vertrauen ist rührend.“ Er lächelte traurig. „Hast du dir denn schon überlegt, welche Opfer es von dir fordern würde?“
Sie nickte.
Er warf ihr einen rätselhaften Blick zu und bat sie: „Komm herein. Ich möchte dir etwas zeigen.“
Er nahm eine brennende Kerze und stieg ihr voraus eine Kellertreppe hinab. Sie kamen zu einem dunklen Raum, in dem nichts als ein Sarg stand. Barnabas hielt die Kerze hoch, damit sie die Kammer überblicken konnte.
„Hier bin ich verdammt, meine Tage zu verbringen.“
Ängstlich starrte sie in das satinüberzogene Innere des Sarges und fühlte die Grabeskälte des Raumes.
„Wenn du darin ruhst, hast du dann Träume?“ fragte sie verzagt.
„Nein. Es ist mehr ein Koma. Die Chancen, ein Mittel dagegen zu finden, sind gering. Ich darf dich da nicht mit hineinziehen.“
„Ich will dir aber helfen!“ Sie blickte ihn fest an und sah an der Wand hinter ihm seinen Schatten durch die flackernde Kerze ums Vielfache vergrößert.
„Seit wann ahntest du es?“
„Ich wußte es sicher, als der Barspiegel dich nicht zeigte.“
Barnabas nickte. „Ich hoffte, du würdest es nicht bemerken.“
„Und dann verschwandest du so schnell. Später entdeckte ich dich mit dem Mädchen.“ Sie biß sich auf die Lippen. „Ich nehme an, von Eleanor hast du dir auch Blut geholt.“
„Aber ich hatte nichts mit ihrem Sturz zu tun. Ich verließ sie viel eher. Jemand hat sie gestoßen.“
„Das sagt sie auch. Aber wer?“
„Dieselbe Person, die dich in den Keller gesperrt hat.“
„Oder der gleiche Geist!“ korrigierte sie ihn. „Das ist im Moment jedoch nicht so wichtig. Viel wichtiger ist, daß du von hier weggehst, ehe die Einheimischen zur Lynchjustiz greifen.“
„Ich werde bleiben, bis ich dich in Sicherheit weiß“, widersprach er.
„Wenn die Ballettsaison vorbei ist, könnten wir miteinander fortgehen“, überlegte sie. „Aber bis dahin bist du möglicherweise in noch größeren Schwierigkeiten.“
Er forschte in ihren Zügen. „Wärst du wirklich bereit, dein Leben für mich zu opfern?“
„Ja!“
Barnabas nahm sie in seine Arme, und seine kalten Lippen küßten sie zärtlich. Er deutete auf den Sarg. „Du läßt mich fast die vielen einsamen Stunden darin vergessen. So, nun mußt du aber gehen, wenn du nicht zu spät zur Probe kommen willst. Ich muß noch zu Elizabeth und mit ihr sprechen, dann komme ich nach.“
Er begleitete sie, bis sie in Sichtweite der beleuchteten Fenster des Farmhauses und der Kapelle kamen. Langsam ging Diana allein weiter. Am Himmel zeigten sich weder Mond noch Sterne, und die Nacht schien beunruhigend still.
Kurz vor dem Kapelleneingang glaubte sie ein Geräusch hinter demselben Busch zu hören, aus dem sie das finstere Gesicht angestarrt hatte. Angstvoll versuchten ihre Augen die Dunkelheit zu durchdringen, aber es rührte sich nichts mehr.
Mit pochendem Herzen lief sie auf die Tür zu. Noch ehe sie diese erreicht hatte, wußte sie jedoch, daß irgend etwas nicht stimmte. Kein Stimmengemurmel klang nach draußen, keine Klavierbegleitung! Ob wohl auch diese Probe abgesagt worden war?
Zaghaft schritt sie ins Innere. In diesem
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