068 - Der Vampir und die Taenzerin
gute Freunde.“
Ihre eigenen Zusammenkünfte mit Barnabas waren aus Zeitmangel auch sehr beschränkt gewesen. Für den Abend vor der Uraufführung hatten sie jedoch ein Rendezvous auf Widows Hill vereinbart. Beide hielten sie es für besser, sich nicht in der Nähe der Kapelle zu treffen, wo sie gesehen werden würden und so dem Klatsch nur neue Nahrung boten.
Als sich alle in ihre Zimmer zurückgezogen hatten, und das alte Herrenhaus im Schlaf zu ruhen schien, schlich Diana leise die Treppen hinunter und hinaus in die feuchte Kühle des nebligen Abends.
Sie trug eine Taschenlampe bei sich, die sie aber erst in sicherer Entfernung vom Haus benützte. Der Nebel hing in Schwaden von ungleichmäßiger Dichte. Manchmal vermochte Diana meterweit zu sehen, manchmal nicht einmal das Gras zu ihren Füßen. Im Licht ihrer Lampe nahmen die Nebelstreifen phantastische Formen an, schienen eigenes Leben zu besitzen. Einmal tauchte vor ihr eine schlanke Mädchengestalt auf mit unnatürlich nach unten hängendem Kopf. Schreckerfüllt starrte sie auf diese Figur, die so sehr an die erhängte Mavis erinnerte, da verwandelte sich das Gebilde schon in eine andere Form. Erleichtert atmete Diana auf.
Sie ärgerte sich, daß sie sich so ins Bockshorn hatte jagen lassen. Aber es war wirklich eine gruselige Nacht, so richtig für die Toten, die aus ihren Gräbern und Grüften steigen wollten.
Noch hundert Meter bis Widows Hill, wo Barnabas sie in seine Arme schließen würde. Sie beschleunigte ihre Schritte. Im gleichen Augenblick hatte sie das entsetzliche Gefühl, daß jemand ihr folgte.
Panik übermannte sie. Sie zwang sich, geradeaus zu blicken, um ihre Furcht nicht zu verraten. Aber mit jedem Schritt spürte sie den verzehrenden Haß des Verfolgers, der immer näher kam.
Kalter Schweiß stand auf ihrer Stirn. Wie weit war es noch bis zu Barnabas?
Doch die Angst ließ sie nicht mehr klar denken. Der Drang, sich dem unbekannten Feind stellen zu müssen, kämpfte mit dem Impuls, kopflos davonzulaufen, um dem Unheil zu entgehen.
Das Pochen ihres Herzens war nun so laut, daß es jedes andere Geräusch übertönte. Plötzlich glaubte sie von eisigen Geisterfingern berührt zu werden. Sie schrie vor Entsetzen und drehte sich taumelnd um. Das Licht ihrer Taschenlampe huschte über die tanzenden Nebelstreifen.
Da sah sie das Gesicht. Dieses abscheuliche, primitive und haßverzerrte Gesicht.
Doch schon hatte der Nebel es wieder verschluckt. Schluchzend floh sie. Nach wenigen Minuten, als sie wieder klarer denken konnte, erkannte sie, daß sie in die falsche Richtung gelaufen war. Die Brandung war nicht mehr zu hören.
Sie warf sich in das hohe Gras und preßte sich an den feuchtkalten Boden, um von ihrem Verfolger nicht entdeckt zu werden. Die Lampe abgeschaltet, lauschte sie auf verräterische Schritte. Da zuckte ein entsetzlicher Gedanke durch ihren Kopf: Geister schreiten lautlos und schnell!
Lange Minuten lag sie reglos am Boden. Als sie der Panik endlich Herr geworden war, schlich sie vorsichtig in die Richtung, für die sie sich nach langem Überlegen entschieden hatte. Bald schon hörte sie voll Erleichterung das Branden der Wellen gegen die Klippen, und gleich darauf fand sie auch den Weg nach Widows Hill.
Furcht vor dem Verfolger ließ sie hinter den Büschen Deckung suchen. Es war Hanks Gesicht gewesen, das sie gesehen hatte. Aber vermochten Geister nicht jegliche Gestalt anzunehmen? Sie schauderte. Gleichgültig, ob Verbrecher oder Geist, nur in Barnabas’ Armen würde sie Sicherheit finden.
Für den Bruchteil einer Sekunde ließ sie die Taschenlampe aufleuchten. Da! Die Bank!
„Barnabas!“ schluchzte sie vor Erleichterung.
Mit eiligen Schritten kam ihr der Engländer entgegen. „Ich habe mir schon solche Sorgen um dich gemacht!“ Zärtlich küßte er sie.
„Ich hatte solche Angst!“ gestand sie und berichtete ihm.
„Es könnte leicht sein, daß dieser Hank sich noch in den Kellern von Collinwood aufhält. Dort gibt es Verstecke, wo man ihn nie finden würde.“
„Es klingt, als ob du sie gut kenntest.“
„Das stimmt“, gab er zu. „Wie oft habe ich mich schon dort verbergen müssen.“
Sie sah ihn bekümmert an. „Ich weiß so wenig von dir.“
Er schüttelte den Kopf. „Im Gegenteil: du weißt zuviel.“
Sie ließ nicht locker. „Bitte, verrate mir doch: in welchem Grad bist du mit dem Barnabas verwandt, dessen Porträt in Collinwood hängt?“
Sein Lächeln war grimmig. „Du wirst
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