068 - Der Vampir und die Taenzerin
Sie nämlich!“ Und ehe sie darauf reagieren konnte, nahm, er sie in seine Arme. Sein Kuß war warm und so zärtlich. Mit einem resignierten Lächeln ließ er sie los.
„Entschuldigen Sie! Ich wollte eigentlich bis heute abend damit warten. Aber da Sie da sicher mit ihm sein werden …“ Er wandte sich um und schritt schnell davon.
Stefans Eröffnung kam völlig unerwartet für Diana. Doch was sie mehr beschäftigte, war sein Verdacht, Barnabas könne geistesgestört sein. Sie hatte des Engländers Geständnis, er sei ein Vampir, ohne daran zu zweifeln, hingenommen. Nun wunderte sie sich selbst; daß sie es ohne jeglichen Beweis getan hatte, obwohl es eine unglaubliche Behauptung war. Vielleicht die Behauptung eines Verrückten!
Die Uraufführung des Mary Wentworthschen Balletts war die Sensation des Jahres in Collinwood. Scheinwerfer waren an den Bäumen um die Kapelle befestigt. Sie wiesen den Besuchern den Weg und rückten gleichzeitig die alte efeuüberwucherte Kapelle in ein romantisches Licht. Ein Feld ganz in der Nähe war zum Parkplatz geworden und wurde ständig von zwei Wächtern beaufsichtigt.
Das Problem der Umkleideräume für die Mitwirkenden hatte man durch die Aufstellung von zwei großen Wohnwagen gelöst. Dadurch standen die Umkleidekabinen hinter der Bühne allein den Hauptdarstellern zur Verfügung.
Diana hatte in ihrer Kabine alles für den mehrfachen Kostümwechsel bereitgelegt und war gerade dabei, die Make-up-Utensilien griffbereit zu sortieren, als Mary Wentworth eintrat, um ihr noch ein paar kurze Anweisungen zu geben.
„Das ist Ihr großer Abend, mein Kind“, sagte sie. „Geben Sie Ihr Bestes!“
Stefan war der nächste, der sie besuchte. Sie hatte ihn seit ihrer Unterhaltung und dem Kuß am Strand den ganzen Tag nicht mehr gesehen.
„Ich wollte Ihnen nur Hals – und Beinbruch wünschen“, sagte er. „Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen.“
„Natürlich nicht. Danke!“
Er zögerte. „Wegen heute morgen – ich wollte Sie nicht beunruhigen.“
„Ist schon gut!“
„Ich meinte alles, was ich sagte“, versicherte er ihr und verließ mit einem Kopfnicken die Kabine.
Sie errötete und schloß schnell die Tür hinter ihm. Es ging ihr nicht so leicht aus dem Sinn, daß er ihr seine Liebe gestanden hatte. Und da waren auch noch alle seine Anspielungen auf Barnabas. Daran wollte sie jedoch im Moment nicht denken.
Als sie Stefan kennenlernte, hielt sie ihn zuerst für neurotisch und unfreundlich. Jetzt würde sie ihn eher als schüchtern und empfindsam bezeichnen. Er hatte einen etwas schwierigen Charakter, aber nun verstand sie ihn bereits viel besser. Sein musikalisches Talent grenzte beinahe an Genialität. Sie war überzeugt, daß seine Komposition auf jeden Fall gut ankommen würde, ob nun ihre Aufführung Gefallen fände oder nicht.
Diana warf schnell noch einen Blick in den Spiegel, ehe sie am Seiteneingang der Bühne auf ihren Auftritt wartete. Stefan hatte bereits mit der Ouvertüre begonnen, da gesellte sich Alex Carter zu ihr. Spöttisch lächelte er ihr zu und bemerkte: „Lassen Sie sich den Erfolg nicht zu Kopfsteigen!“
Sie drehte ihm wortlos den Rücken zu. Dann kam das Zeichen für sie, auf die Bühne zu tanzen, und damit begann die Vorstellung. Danach kam ein atemberaubendes Tanzen, Wirbeln und sich im Walzertakt drehen, an das sie sich später kaum noch erinnerte. Jede Bewegung war so gut einstudiert, daß sie nahezu automatisch ablief.
Als der Vorhang nach dem ersten Akt fiel, wurde ihr der brausende Applaus bewußt. Sie eilte zurück in ihre Umkleidekabine, um sich ein anderes Kostüm überzustreifen und ihr hübsches junges Gesicht zur Maske einer alten Frau zu schminken. Kaum war sie damit fertig, begann der zweite Akt. Alles schien so unendlich schnell zu gehen. Peter Norrad tanzte fast wie in alten Zeiten, und auch Alex Carter gab sich Mühe. Eleanor erhielt für ihre Solonummer viel Applaus.
Dann war die Vorstellung zu Ende. Die Darsteller verbeugten sich alle, und das endlose Klatschen schien Diana wie das Rollen der Brandung gegen die Klippen.
Mary Wentworth kam als erste mit Elizabeth hinter die Bühne. „Es war eine großartige Aufführung“, rief die Leiterin der Truppe mit Tränen der Freude in den Augen. „Sie gefielen den Kritikern, das habe ich gespürt!“
Elizabeth schüttelte Diana die Hand. „Ich bin begeistert, und alle anderen auch.“
Viele kamen, ihr zu gratulieren, bis sie vom ständigen Händeschütteln
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