0684 - Wald der toten Geister
Gesicht als flaches Gebilde aus Wurzeln und verstrickten Armen. Sein angedeuteter Mund sah aus, als wären zwei halb verfaulte, überlange Möhren zusammengelegt worden. Der Nebel hatte sich wieder zurückgezogen, seine andere Welt gab es sichtbar nicht mehr.
Suko wollte die Zeit nicht schweigend verbringen. Er musste einfach wissen, welche Pläne Mandragoro verfolgte. Und er schätzte ihn so ein, dass er damit auch nicht hinter dem Berg halten würde.
Deshalb stellte er ihm die Fragen.
»Was hast du genau vor? Was willst du?«
»Ich warte auf Mike.«
»Ja, das weiß ich. Mit welcher Botschaft soll er hier erscheinen? Was verlangst du?«
»Rache.«
»Er soll also mit den Menschen abgerechnet haben, die sich für die wilden Kippen verantwortlich zeigten.«
»So ist es.«
»Dann ist er ein Mörder!«
»Nein, ein Richter. Jemand, der von der Natur beauftragt wurde, zurückzuschlagen.«
»Was nicht rechtens ist.«
»Ich bestimme hier das Recht, Suko. Du weißt, dass ich dir und deinem Freund Sinclair neutral gegenüberstehe, dass ich euch auch unterstütze, wenn es sein muss. Aber ich muss auch meine eigenen Pläne verfolgen. Ich will es nicht hinnehmen, dass die Natur immer weiter stirbt. Deshalb greife ich eben zu anderen Mitteln.«
»Willst du dieses Stück Wald noch retten?«
»Das kann ich nicht. Aber ich will eine Warnung für die anderen setzen. Das ist mir noch möglich. Die Menschen sollen endlich merken, dass die Natur kein Ort ist, um ihre Fehler zu vertuschen. So lauten meine Warnungen, die jeder verstehen soll, die von dir und John Sinclair auch weitergegeben werden können.«
»Wann rechnest du mit einer Rückkehr?«, fragte Suko.
»Ich weiß es nicht. Er kann Stunden, aber auch Tage für seine Rache brauchen.«
»Und wenn er stirbt? Diesmal endgültig stirbt?« Suko hatte die Frage bewusst gestellt. Er wollte hören, wie weit ein Dämon wie Mandragoro gehen würde.
»Dann wird es schwer für euch, sehr schwer!«
Jetzt mischte sich Jane Collins ein, die schon zu lange ruhig gewesen war. »Wollen Sie uns vernichten? Töten? Wollen Sie uns…«
»Die Verdammten der Nacht können Nachschub gebrauchen. Vielleicht werde ich mir eine Wächtertruppe aufbauen. Es wäre doch interessant, wenn auch du dazugehören würdest - oder nicht?«
»Darauf verzichte ich. Ich möchte meine Arme ohne Flügel behalten. Und es wäre auch besser, wenn Brenda Evans wieder zu einem normalen Menschen würde.«
»Ihre Familie hat der Umwelt zu viel angetan. Ich kann nicht mehr zurück!«
»Sie war von ihrem Mann getrennt!«
»Hier bestimme ich!«
Suko konnte spüren, dass er Mandragoro gereizt hatte, und seine Lage wurde dadurch nicht besser.
Am schlechtesten erging es Brenda. Sie war umschnürt wie ein Wertpaket und konnte sich nicht rühren. Der nackte Rücken berührte die Baumrinde, er würde sicherlich an mehreren Stellen aufgescheuert sein. Ihr Gesicht konnte Suko nicht genau erkennen. Ihre Züge verschwammen in der grünbraunen Farbe, die zwischen den Bäumen und Zweigen hing.
Das lange Warten ging also weiter. Ein Gefühl zwischen Hoffen und Tod…
***
Graham Watkins war ein Mann, der aussah, als hätte er sich aus den kleinsten Verhältnissen hochgearbeitet. Noch immer hatte er die breiten, kräftigen Hände, noch immer hasste er es, Krawatten zu tragen, und noch immer hörte sich seine Stimme wie ein dumpfes Donnergrollen an, wenn er sprach.
Nicht nur die Art der Tätigkeit hatte sich verändert, auch sein Arbeitsplatz. Früher, als er noch Müllkippen bewachte, da hatte er zusammen mit seinen Kollegen in einem Bretterwagen gehaust.
Jetzt saß er in einem Büro, das zu einer ganzen Etage gehörte, in dem die Verwaltung der Firma untergebracht war. Wenn die Mitarbeiter aus den Fenstern schauten, sahen sie auf den Hof hinunter, wo die zahlreichen Transporter standen. Ein ewiges Kommen und Gehen herrschte, das davon zeugte, wie gesund Watkins' Firma Sanitation Service war. Er hatte es geschafft, Millionär zu werden, und dies sogar in zweistelliger Höhe.
Vor ihm saß Sir James Powell höchstpersönlich. Der Superintendent hatte es sich nicht nehmen lassen, den Inhaber zu besuchen, und er hatte ihm auch einiges erzählt, was Watkins nicht gern hörte, denn er wusste nun, dass man sich um ihn kümmern würde.
Das allerdings erst später, zuvor sollte er davor gewarnt werden, dass man ihm ans Leben wollte.
Graham Watkins nahm das nicht so recht ernst. Er schaute sich in seinem Büro um, das mit
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