0684 - Wald der toten Geister
James nicht ein, wenn er sich die Flügel anschaute, die aus den Armen wuchsen. Er wirkte wie ein mörderischer Todesengel, der erschienen war, um blutige Rache zu nehmen.
Kein anderer hatte das Splittern der Scheibe gehört. Watkins' Chefbüro war schalldicht isoliert, ein Fehler, wie er jetzt eingestehen musste. Die Sekretärin, die sonst im Nebenzimmer saß, hatte zudem unten im Laden zu tun.
Watkins hatte von seiner Sicherheit etwas verloren. Da er auf dem Rücken lag, musste er den jungen Mann mit der Schere anstarren. Sie war jetzt ziemlich weit aufgeklappt, sie würde es auch schaffen, seinen Kopf vom Körper zu trennen.
Sir James hörte den Mann keuchen.
Watkins schwitzte. Auf seiner Stirn vermischte sich der Schweiß mit dem Blut. Der Mund stand halb offen. Aus den Augenwinkeln hatte er bemerkt, dass Sir James wieder zurückgekehrt war und die Tür schloss.
Damit war der Durchzug verschwunden. Nichts bewegte mehr die auf dem Boden liegenden Glasscherben.
Trotzdem wehte es kalt durch das offene Fenster. Der Wind brachte einen Rauchgeruch mit. In der Nähe stand eine Fabrik. Aus ihren drei Schornsteinen quoll grauer Qualm.
Mike drehte für einen Moment den Kopf. Sir James trug keine Waffe, er besaß nur seinen Stockschirm, ohne den er als typischer Engländer kaum unterwegs war.
»Gehen Sie weg!«, sagte er.
»Warum?«
»Sie gehören nicht hierher. Das ist ausschließlich eine Sache zwischen ihm und mir.«
»Nein, nicht wenn es um Mord geht. Ich habe einen Beruf, der Morde verhindern soll.«
»Polizist?«
»Ja.«
Da lachte Mike. »Auch Polizisten können mich nicht an meiner Aufgabe hindern. Einer hat es versucht.«
»Sicher, John Sinclair!«
»Sie kennen ihn?«
»Ich bin sein Vorgesetzter.«
»Nein, ich will es nicht akzeptieren. Das ist meine Rache. Er muss sterben. Er hat es verdient. Er trägt dafür die Verantwortung. Er hat die Umwelt zerstört. Durch ihn bin ich zu einem Verdammten der Nachtgeworden.«
»Aber du bist frei!«
»Nicht für immer.«
»Und deine Mutter?«
»Sie ist nicht mehr hier.«
»Wo?«
»Ich will keine Fragen beantworten. Ich will meine Aufgabe erledigen. Das ist es. Ich habe schon zwei weitere Männer getötet. Killer, die meinen Vater umbrachten. Sie sind von Watkins auf seine Spur gehetzt worden. Nur von ihm.«
»Stimmt das?«
Watkins war angesprochen worden. Er gab noch keine Antwort, keuchte nur: »Schaffen Sie mir den Irren vom Hals, Powell!«
»Stimmt das?«
»Er lügt!«
Sir James wusste, dass Mike Evans nicht log. Das hatte er nicht nötig, und es stand auch fest, dass er zwei Killer auf Phil Evans angesetzt hatte.
»Warum taten Sie es?«
»Hören Sie auf, Powell! Dieser Irre will mich killen. Verhindern Sie es. Nehmen Sie ihn fest!«
»Ich will ein Geständnis!«
»Scheiße, ich weiß von nichts.« Allmählich merkte Watkins, dass die Angst in ihm hochkroch. Er brauchte nur in Mike Evans' Gesicht zu schauen.
Es zeigte zwar noch die Züge der Jugend, dennoch las er darin eine Gnadenlosigkeit und Zielstrebigkeit, die ihn erschreckte, und er versuchte jetzt, aus der unmittelbaren Gefahrenzone zu kriechen, auf seinen Schreibtisch zu, wo er eine geladene Waffe in der Schublade liegen hatte. Vor Jahren war sie ihm einmal geschenkt worden. Von einem Mann, der ihm eigentlich Geld hätte zurückzahlen müssen. Und diese Waffe, ein russisches Modell, hütete er wie seinen Augapfel.
Mike Evans schien zu ahnen, dass Watkins ihn reinlegen wollte. Deshalb ging er vor. Er musste die Entfernung verkürzen, um schneller zu sein.
Das passte Sir James nicht. Auch wenn er nicht zu den Kämpfern gehörte wie John Sinclair oder Suko, besaß er doch Mut, den er jetzt bewies.
Er brauchte nur zwei kleine Schritte vorzugehen, um Mike Evans in den Weg zu treten.
»Nein!«, sagte er.
Sir James stand wie ein Fels zwischen Graham Watkins und Mike Evans. Man brauchte nur in sein Gesicht zu schauen, um erkennen zu können, dass er freiwillig nicht weichen würde.
»Wollen Sie sterben?«, fragte Evans.
»Bestimmt nicht!«
»Dann gehen Sie mir aus dem Weg!«
»Ich bleibe. Wenn Sie Watkins umbringen, dann nur über meine Leiche, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Sie müssen erst mich töten. Zwei Leichen, können Sie das verkraften?«
»Es geht um mehr. Er ist ein Mörder. Sie wollen ihn schützen. Ja, Sie wollen einen Mörder schützen!«
»Nein, das ist nicht richtig. Ich kann Ihnen versprechen, dass dieser Mann vor ein Gericht gestellt und abgeurteilt
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