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0686 - Engel der Finsternis

0686 - Engel der Finsternis

Titel: 0686 - Engel der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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rechts und links einer nicht asphaltierten Straße lagen. Trotz der offenen Landschaft standen die Holzhäuser eng zusammen, als müssten sie sich gegenseitig vor dem Übermaß an Natur schützen. In der hellen Morgensonne ragten die dunklen Fassaden wie Fremdkörper aus der blassgrünen Ebene heraus.
    Zamorras Blick fiel auf die Straße. Zwei Frauen in langen, einfach aussehenden Kleidern, standen vor einem Lebensmittelgeschäft und unterhielten sich lebhaft. An ihnen vorbei trabte ein Pferd, auf dem ein bärtiger Mann saß, der seinen breiten Cowboyhut höflich lüftete. Ein klapprig aussehendes Pferdefuhrwerk kam vor dem Geschäft zum Stehen. Es hatte einige geschlossene Fässer geladen. Der Kutscher sprang elegant vom Kutschbock und wechselte ein paar Worte mit den Frauen.
    Zamorra beobachtete sie nicht weiter, sondern sah erneut zu den Häusern. Auf keinem von ihnen befand sich eine Antenne. Es gab keine Strommasten, keine Straßenbeleuchtung, keine Plastiktüten, die vom Wind durch die Luft gewirbelt wurden, keine Fastfood-Behälter im Straßengraben oder Werbetafeln an den Fassaden. Zamorra sah kein Kino, keinen Computerladen, kein Auto und kein Fahrrad. Nur Menschen, Pferde und Häuser.
    Das ließ nur eine Schlussfolgerung zu: Er war in der Vergangenheit.
    ***
    »Ich grüße dich, Hanhepi«, sagte der Weiße.
    »Dir einen guten Morgen, mein Freund«, entgegnete der Indianer. Über Nacht hatte er seinen grauen Anzug abgelegt und stand jetzt nackt bis auf einen Lendenschurz im feuchten Gras. Der Tau an den Spitzen der Grashalme glitzerte in der Sonne.
    Hanhepi ließ seine Hand darüber gleiten und verrieb das Wasser in seinem Gesicht.
    »Es gibt Neuigkeiten im verlorenen Paradies, nicht wahr?«, fragte er.
    Der Weiße nickte.
    »Du hast gesehen, was gestern passiert ist?«, entgegnete er, ohne eine Antwort zu erwarten. Er setzte sich auf einen Baumstumpf und stellte vorsichtig die große Tasche ab, die er bei sich trug. Hanhepi unterdrückte ein Schaudern. Er wusste, was sich in der Tasche befand.
    »Es gab Überlebende«, fuhr der Weiße fort.
    Der Indianer grinste. »Das sind gute Neuigkeiten. Es herrscht bestimmt ein ziemliches Chaos.«
    »Es wird ein noch viel größeres Chaos herrschen, wenn sie die ganze Wahrheit entdecken.«
    Während er sprach, streichelte der Weiße abwesend die Tasche, als müsse er das, was sich darin befand, beruhigen.
    »Was meinst du damit?«
    »Nun, sie glauben, es ist nur ein Überlebender. Aber es sind zwei.«
    Hanhepi sah ihn überrascht an. »Zwei? Wieso wissen sie nichts davon?«
    »Weil nicht sie ihn gefunden haben, sondern ich.« Der Weiße kicherte leise. »Er ist in meiner Hütte.«
    Der Indianer schwieg. Äußerlich wirkte er vollkommen ruhig, aber in seinem Inneren überschlugen sich die Gedanken. Er hätte nie geglaubt, so unerwartet vor neuen Tatsachen zu stehen. Von dem Flugzeugabsturz hatte er sich nicht mehr als ein wenig Abwechslung erhofft, ein wenig Spaß, um sich die Zeit zu vertreiben. Jetzt erschien es jedoch fast so, als habe Wakinyans Fehler weitaus gravierendere Konsequenzen, als er angenommen hatte.
    »Du hast richtig gehandelt, mein Freund«, lobte er schließlich. »Wann wirst du mit den Vorbereitungen beginnen?«
    Der Weiße neigte den Kopf. »Ich habe bereits begonnen.«
    Er stand auf und ging so weit auf Hanhepi zu, wie es ihm möglich war. Der Indianer streckte ihm die Arme entgegen und kehrte die Handflächen nach außen.
    »Wenn der Tag gekommen ist«, sagte er dann den traditionellen Satz auf, den ihr kleines Ritual verlangte, »werde ich mit diesen Händen meinen Schwur erfüllen.«
    »Für diesen Tag leben wir«, entgegnete der Weiße und verneigte sich. Einen Augenblick blieben sie so stehen, dann drehte Hanhepi sich ohne ein weiteres Wort um und ging zu seinem Jeep. Sein Herz hatte in den letzten hundertsechzig Jahren nicht mehr so schnell geschlagen.
    Zum ersten Mal hatte er den Eindruck, dass sein Sieg nicht von einem unbestimmbaren Zufall abhing, sondern klar geplant werden konnte.
    Hanhepi war bereit.
    ***
    Alan Smith zerrte hilflos an seinen Fesseln. Er wusste nicht, wie lange er schon allein in der kleinen, stinkenden Hütte lag. Seine letzte Erinnerung war der Absturz. Dann gab es nichts außer Schwärze und seltsamen Träumen von einer Stimme, die ihn töten wollte, bis er auf dieser alten Matratze zu sich gekommen war.
    Sein ganzer Körper schmerzte. Smith schätzte, dass er sich mindestens zwei Rippen gebrochen hatte, vielleicht

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