0686 - Engel der Finsternis
bremsen. Tief im Inneren glaubte er, Duane würde nicht schießen, während er sprach.
Das war ein Irrtum.
Duane schoss.
***
Mit zusammengebissenen Zähnen kämpfte sich Zamorra die steile Holztreppe hinunter bis ins Erdgeschoss. In seinem Bein pochte es wie wild, aber wenigstens konnte er es benutzen. Er wusste, dass er sich eigentlich hätte ausruhen müssen, aber die Neugier nach seiner Entdeckung war stärker als die Vernunft.
Aus einem Grund, den der Dämonenjäger nicht verstand, war das Flugzeug aus dem zwanzigsten ins neunzehnte Jahrhundert geraten. Das war eigentlich unmöglich, denn Zeittore entstanden nicht per Zufall. Um ein solches Tor zu öffnen, benötigte man komplizierte technische odermagische Vorbereitungen, die man nicht in tausend Meter Höhe durchführen konnte. Ebenso unmöglich war der Absturz selbst. Die Wahrscheinlichkeit, dass beide Propeller zur gleichen Zeit ausfielen, lag praktisch bei Null.
Und doch war es passiert.
Leise Stimmen rissen Zamorra aus seinen Gedanken. Er unterschied einen Mann und eine Frau, die eindringlich miteinander sprachen. Sie schienen sich in dem Raum zu befinden, der am Ende des schmalen ges lag. Zamorra sah, dass die Tür nur angelehnt war.
Leise ging er über die dunklen Bohlen.
»…da habe ich einfach die Nerven verloren«, sagte die Frau. Zamorra erkannte ihre Stimme wieder. Mit ihr hatte er eben gesprochen.
Der Mann murmelte etwas, das der Dämonenjäger nicht verstehen konnte. Dann entgegnete er lauter: »Ich verstehe, was du meinst.«
»Nein, tust du nicht. Niemand kann verstehen, wie es ist, mit jemandem in einem Zimmer zu sein, der das kann. Ich weiß nicht, was --«
Eine Diele knarrte unter Zamorras Füßen. Die Stimmen verstummten.
Der Parapsychologe fluchte lautlos und ging mit normaler Lautstärke weiter. Vielleicht waren die beiden weniger misstrauisch, wenn sie nicht bemerkten, dass er sie belauscht hatte. Höflich blieb er vor der halb geschlossenen Tür stehen und klopfte.
»Herein«, antwortete die Frau nach kurzem Zögern. Selbst in diesem einen Wort glaubte Zamorra ihre Nervosität zu hören.
Er trat ein und stand in einem großen Raum, der gleichzeitig als Wohnraum und Küche zu dienen schien. Die linke Wand wurde von einem breiten, gemauerten Kamin beherrscht, in dem auch über offenem Feuer gekocht werden konnte. Die Schränke, Regale und Bilder an den Wänden und der Teppich auf dem Fußboden zeugten von einem gewissen Wohlstand. An einem langen Eichentisch saßen die blonde Frau und ein dunkelhaariger glattrasierter Mann, den Zamorra auf Anfang dreißig schätzte. Er trug eine Lederweste, auf der ein Sheriffstern blinkte, über dem karierten Hemd.
»Mein Name ist Howard«, stellte der Sheriff sich vor und bot Zamorra einen Stuhl an. »Elizabeth kennst du ja schon.«
»Wir waren uns noch nicht vorgestellt worden. Ich bin Zamorra.«
Er setzte sich.
Elizabeth lächelte scheu, stand von ihrem Stuhl auf und ging hinüber zum Kamin. Zamorra hatte den Eindruck, als wolle sie eine möglichst große Distanz zu ihm hersteilen. Er sah Howard an, der den Blick abwandte und die Stickereien auf der Tischdecke mit plötzlichem Interesse musterte.
Die Situation war mehr als seltsam. Schon allein, dass die beiden sich nur mit ihren Vornamen vorgestellt hatten, machte keinen Sinn. Im heutigen Amerika war das zwar weit verbreitet, aber im letzten Jahrhundert war man noch wesentlich förmlicher gewesen.
Außerdem zeigten beide keine Neugier über den Flugzeugabsturz. Elizabeth hatte ihn nicht danach gefragt und den Sheriff schien die Tischdecke mehr zu interessieren. Dabei hätte ein solches Ereignis wie die Explosion einer unbekannten Maschine doch eine Sensation in dem kleinen Ort sein müssen.
In Gedanken verglich Zamorra Howards und Elizabeths Reaktion mit der eines Passanten, der vollkommen ungerührt an einem gelandeten UFO vorbeigeht, vor dem ein Marsianer mit Kettensägen jongliert.
Es machte keinen Sinn.
»Nun«, sagte Zamorra, um das Schweigen zu brechen. »Ich möchte euch dafür danken, dass ihr mir geholfen habt.«
Howard nickte. »Es geht dir besser. Das ist Dank genug.«
»Haben noch andere überlebt?«
»Wie meinst du das?«, fragte der Sheriff stirnrunzelnd.
Zamorra fühlte sich in sein erstes Gespräch mit Elizabeth zurückversetzt. Bei diesen Leuten schien jede klar formulierte Frage ins Nichts zu führen.
»Es waren noch andere Menschen außer mir in dem…« Er wollte Flugzeug sagen, korrigierte sich aber im
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