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0686 - Engel der Finsternis

0686 - Engel der Finsternis

Titel: 0686 - Engel der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Orakel befragt, aber der Krähengott hatte nicht zu ihr gesprochen. Er hatte nur ihre Finger geführt - glaubte sie zumindest.
    Wakinyan holte tief Luft. Sie konnte in seinen Augen sehen, dass er ihre Lüge durchschaute.
    »Was haben die Federn dir gezeigt?«
    »Sie zeigten den Tod«, entgegnete Katherine.
    »Nur den Tod?«
    »Gewalt und Tod«, präzisierte sie.
    Wakinyan nickte langsam. Er trat einen Schritt auf sie zu, so dass sein Gesicht fast das ihre berührte. »Und aus diesen zwei Dingen«, flüsterte er, »schließt du, dass er sterben muss? Was ist nur in dich gefahren, Katherine? Wieso tust du das?«
    Sie wollte den Kopf senken, aber seine Blicke bannten sie, ließen nicht zu, dass sie sich bewegte. Wakinyan hatte seine Magie noch nie gegen sie eingesetzt. Es war ein erschreckendes Erlebnis.
    »Er macht uns Angst«, sagte Katherine leise. »Wir haben ein Fest für ihn gegeben, aber er hat sich bei uns nicht wohl gefühlt. Er hat ständig nur Fragen gestellt. Ich kann spüren, dass er sich nie einleben wird. Wenn wir nichts unternehmen, wird er unser Untergang sein.«
    Der Priester entließ sie aus seinem Bann und erhob sich so plötzlich in die Luft, dass der Windhauch sie beinahe umgeworfen hätte.
    »Ihr wollt ihn also töten, weil er sich auf eurem Fest nicht amüsiert hat?«, rief Wakinyan der Menge entgegen. Howard hob unter ihm die Hand, um noch mal darauf hinzuweisen, was ihm passiert war, aber die Worte des Priesters donnerten über ihn hinweg. »Seid ihr denn schon so lange unsterblich, dass ihr nicht mehr wisst, welchen Wert ein einzelnes Leben hat? Geht zurück in die Stadt und denkt darüber nach, denn heute Nacht habt ihr vielleicht die einzige Chance verspielt, Paradise Lost jemals wieder zu verlassen.«
    Wütend schwang er sich hoch in die Luft, bis er vom Boden aus nur noch als schwarzer Fleck zwischen den Sternen zu sehen war.
    Die Menge blieb schweigend stehen. Keiner von ihnen verstand, was die letzten Worte des Priesters zu bedeuten hatten.
    Nach einer Weile drehten sie sich um und gingen langsam in die Stadt zurück. Katherine folgte ihnen.
    Was hat er damit gemeint?, fragte sie sich.
    ***
    Wakinyan hätte es ihr sagen können, aber er war zu sehr mit seinen Entscheidungen beschäftigt, die nach dem Eklat mit den Stadtbewohnern noch dringlicher geworden waren. Wenigstens wusste er jetzt, dass er Recht hatte mit dem, was er plante.
    Die Frage war nur, ob Zamorra, den er für sein Vorhaben brauchte, immer noch bereit war, ihm zu vertrauen.
    Der Priester flog über den Wald hinweg und suchte nach einer Spur des Menschen. Ein Teil von ihm wünschte sich, ihn auf seinem Pferd zu entdecken, ein anderer fürchtete sich vor diesem Moment.
    Wakinyan hatte lange gelebt. Gemeinsam mit Hanhepi hatte er Mammuts über die endlosen Steppen gejagt, war Menschen begegnet, die noch keine Sprache kannten und wie Ratten in Erdlöchern lebten. Er hatte Reiche aufsteigen und fallen sehen, war den spanischen Conquistadores bis nach Mexiko gefolgt, hatte in Reichtum und Armut gelebt, geliebt und gehasst.
    Bis der Bruch eines Schwures und der Wille des Krähengottes ihn an diesen Ort gebracht hatten.
    Hundertsechzig Jahre hatte Wakinyan gebraucht um zu erkennen, dass er ein Feigling war.
    Hundertsechzig Jahre, in denen er Menschen mit der Aussicht auf Unsterblichkeit an sich band und sie hinter einer Barriere lebendig begrub. Er hatte ihre Sicherheit als Ausrede benutzt, um sich seinem uralten Freund nicht stellen zu müssen.
    Seit Monaten wusste er, dass er eine Entscheidung treffen musste, aber erst in dem Moment, als er die Magie des Fremden gespürt hatte, war ihm klar geworden, wie sie aussah.
    Mit Zamorras Hilfe hatte er genug Macht, um den Unsterblichen, die er geschaffen hatte, das Leben zurückzugeben. Danach würde er die Barriere fallen lassen und sich Hanhepi ein letztes Mal stellen. Er hoffte, dass sein Tod und die Sterblichkeit der anderen seinem Freund genug Vergeltung waren.
    Wakinyan spürte, dass er das Richtige tat, nicht nur für sich, sondern auch für die Menschen, die so lange in einer Scheinwelt gelebt hatten. Das war ihm eben drastisch vor Augen geführt worden.
    Aber um das zu erreichen, musste er ihnen erst einmal die Sterblichkeit zurückgeben, denn sonst würden sie bei seinem Tod mit ihm vergehen. Da er sie erschaffen hatte, war ihre Unsterblichkeit an die seine gebunden. Sein Tod war der ihre.
    Um das zu verhindern, brauchte er Zamorra.
    Seine Blicke kehrten zurück zum Wald.
    Er

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