0689 - Die Irrfahrt des Mutanten
schöpfen.
Schließlich raffte er sich auf und schleppte sich zu dem erbärmlichen, ebenerdigen Lager, das er sein Bett nannte.
Draußen war es dunkel geworden. Durch das kleine Fenster fiel kein Licht mehr. Statt dessen hatte sich die trübe Lampe eingeschaltet, die sich in der Mitte der Decke befand, und beleuchtete das Elend, das Thomas Kantenberg mit Millionen von Leidensgenossen teilte. Seine Unterkunft wurde von den Pariczanern, die diese Welt beherrschten," eine Gefangeneneinheit" genannt Eine Gefangeneneinheit war eine annähernd würfelförmige Konstruktion von drei mal drei Metern Bodenfläche und zweieinhalb Metern Höhe. Auf diesen drei mal drei Metern standen ein aus billigstem Material hergerichtetes Schlaflager, ein kleiner Tisch mit einer erbärmlichen Servoautomatik, zwei Stühle und nicht mehr als die unumgänglichen Vorrichtungen für die körperliche Hygiene. In jeder dieser Einheiten lebte ein Gefangener, denn die Pariczaner legten darauf Wert, daß die Gefangenen keinerlei menschlichen Kontakt miteinander hatten. Sie arbeiteten zusammen, aber selbst während der Arbeit wurde scharf darüber gewacht, daß sie außer dem für die Verrichtung ihrer Arbeit Notwendigen nichts miteinander sprachen. Während der Ruheperiode, die vier Stunden nach Sonnenuntergang begann und bei Sonnenaufgang endete, hatten sie völlig alleine zu sein.
Das Lager, in dem Thomas Kantenberg seit etwa vier Standard-Monaten lebte, befand sich in einem Hochtal dreihundert Kilometer östlich des stadtartigen Gebäudekomplexes, den Leticron sein Hauptquartier nannte. Das Lager hatte eine Grundfläche von mehr als zehntausend Quadratkilometern. Auf dieser Fläche vegetierten rund fünf Millionen Terraner und Solarier dahin, starben und wurden durch neue Gefangene ersetzt. Die Pariczaner benützten ihre Gefangenen, um Zabrijna zu einem militärischen Stützpunkt ersten Ranges auszubauen.
Sie hätten anstelle der Gefangenen ebenso gut Roboter verwenden können, was sie vielerorts auch taten. Aber es kam ihnen darauf an, an ihren hilflosen Opfern das Wort Leticrons wahrzumachen, es werde der Tag kommen, an dem jeder Terraner bereute, überhaupt geboren zu sein.
Das riesige Lager wurde von einem kastenförmigen, durchsichtigen Prallfeld umgeben, das besser als jede mechanische Vorrichtung dafür sorgte, daß kein Gefangener die Möglichkeit hatte zu entweichen. War ein neuer Arbeitseinsatz befohlen, so wurde ein Teil des Lagers mitsamt den darin befindlichen Gefangeneneinheiten einfach herausgehoben und an den Ort des Arbeitseinsatzes versetzt. Den herausgenommenen Teil des Lagers umgab dieselbe Art von Prallfeld, die das gesamte Lager schützte, und der Transport geschah mit Hilfe eines Traktorstrahls, der den in das Prallfeld gehüllten Lagerteil dorthin versetzte, wo er gebraucht wurde.
In den ersten zwei Monaten hatte Thomas Kantenberg sich redlich Mühe gegeben, unter den Gefangenen ein gemeinsames Interesse an einem Ausbruchsversuch zu wecken. Zum Teil hatte er auch Erfolg gehabt. Die Leute, mit denen er unter Lebensgefahr sprach, hatten sich für seine Idee begeistert. Aber die Pariczaner hatten auch diese Gefahr in ihre Berechnungen mit einbezogen und ein System entwickelt, wonach die Gefangenen bei Arbeitseinsätzen rotiert wurden, so daß ein Gefangener bei aufeinanderfolgenden Arbeitseinsätzen mit immer anderen Gruppen zusammenarbeitete. Kantenbergs Unternehmen wurde dadurch zu einer Sisyphus-Arbeit: kaum hatte er bei einer Gruppe die ersten Kontakte gefunden, da mußte er wieder von neuem anfangen.
Nach zwei Monaten unaufhörlicher Frustration hatte er endlich aufgegeben und sein Ziel auf anderem Wege zu erreichen versucht. Es entsprach seiner Mentalität, daß er sich loyal verhielt, solange auch nur die geringste Hoffnung bestand, daß er auf diese Weise sein Schicksal verbessern könne. Schwand auch dieser letzte Rest an Hoffnung, dann war. Thomas Kantenberg ohne Bedenken bereit, die Loyalität über Bord zu werfen und nach eigenem Gutdünken zu verfahren. So hatte er es auch diesmal gehalten. Er besaß eine Information, die für die Gegner des Solaren Imperiums von ungeheurer Wichtigkeit war.
Er hatte sein Wissen angeboten. Zuerst den Gefangenenwärtern, denen er während der allmorgendlichen Demoralisierungsstunde begegnete. Die hatten ihn ausgelacht „und das, was er ihnen vortrug, trotzdem ihren Vorgesetzten gemeldet.
Dann dem Lagerkommandanten, der ihn während einer Demoralisierungsstunde auf die Seite
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